Traditionell starten mein Bruder Axel und ich bereits seit mehreren Jahren bei der Tour d´Energie in Göttingen. Einem Radrennen über 100 Km und 1200 Höhenmeter.

Die letzten 2 Jahre ist das Event Corona bedingt ausgefallen und nun sollte das Revival erfolgen.

So war der 24.04.2022 der Einstieg in die diesjährige Rennsaison. Da uns beide Anfang/ Mitte März die Corona-Infektion niedergestreckt hatte, war das Rennen in Göttingen tatsächlich für uns der erste Wettkampf in diesem Jahr. Etwas unsicher über den Trainingsstand, da auch kein Trainingslager auf Mallorca im Frühjahr stattgefunden hat, standen wir nun mit ca. 1500 weiteren Teilnehmern an der Startlinie der 100 km Distanz. Dieses Mal sogar in Startblock A, was der Nervosität nicht abträglich war.

t racer tour denergie 2022 vor dem start

Das Wetter war trocken und überraschend angenehm temperiert. Allerdings blies ein recht starker Wind, welcher ab der Hälfte des Rennens, auf dem Rückweg in Richtung Ziel eine nicht unerhebliche Rolle spielen sollte.

Durch die Erfahrungen der letzten Teilnahmen hatten wir natürlich auch ein Zeitziel vor Augen. Wir beiden haben dieses aufgrund der erwähnten Unwägbarkeiten auf sub 3h festgelegt. Wie gewöhnlich bei Straßenrennen mit Massenstart ist die Startphase immer besonders stressig. Stürze sind keine Seltenheit und auch in diesem Jahr lagen innerhalb der ersten Kilometer bereits einige gestürzte Fahrer am Boden. Gekonnt oder mit viel Glück haben wir uns durch die gefährliche Phase manövriert und als die ersten Gruppen standen und es aufs Land rausging könnten wir etwas durchschnaufen.

Axel hat wie gewohnt immer einen sehr starken Start und konnte sich in einer Gruppe vor mir festsetzen, während ich bei KM 10 ungefähr den Anschluss verloren habe. Axel habe ich dann auch erst wieder im Ziel gesehen.

Ich bin also mein Rennen gefahren und habe versucht mein Tempo zu finden und nicht allzu viel zu investieren, um Kräfte zu schonen. Ich kann aber sagen, dass ich bei KM 15 eigentlich bratfertig war und ich das Gefühl hatte konditionell am Ende zu sein. Sollte Corona mich dieses Mal etwa so sehr ausbremsen?!

Der Tritt wurde dann aber flüssiger und als es in die ersten kleineren Anstiege ging, konnte ich viele Fahrer vor mir einholen. Im Vorfeld hatte ich mir meine Ernährungsstrategie genau zurechtgelegt, meine Trinkflaschen entsprechend befüllt und diverse Energiegels in den Trikottaschen dabei. Ein Gramm Kohlehydrate pro kg Körpergewicht pro Rennstunde war meine Formel. Dumm war, dass ich bei KM 30 auf einer rasanten Abfahrt bei Tempo 60 meine volle Trinkflasche aus dem Flaschenhalter verloren habe.

So hatte ich für die verbleibenden 70 Km nur noch die bereits halb leere Trinkflasche bei mir. Umdrehen und die Flasche einsammeln war keine Option.

Ich fuhr unbeirrt weiter und fasste den Entschluss bei der ersten Verpflegung nach dem ersten längeren Anstieg von ca. 5 km Länge evtl. kurz anzuhalten und nachzutanken. Wie erwartet war in Hann. Münden auf dem ca. 10 Km langen Flachstück an der Weser Richtung Hemeln ordentlich Gegenwind angesagt. Da hieß es, sich gut in einer Gruppe zu verstecken und möglichst nur kurze Führungen zu fahren, um nicht vorzeitig zu platzen.

Das klappte auch relativ gut, wobei die Gruppen, die sich bildeten, sehr unruhig fuhren und keiner die Führung machen wollte.

Der Anstieg kam und ich bin ordentlich hochgekommen. Auf der Kuppe am höchsten Punkt kam dann auch die Verpflegung und ich hielt kurz an, um meine Flasche auffüllen zu lassen. Das war innerhalb weniger Augenblicke erledigt und der Zeitverlust sehr gering.

Meine Gruppe war zwar weg, aber ich konnte nahtlos mit der nächsten mitfahren. Es wurde schnell und trotz Gegenwind fuhren wir die nächsten Kilometer bis zur offiziellen Bergwertung recht fix. Die Beine taten schon ordentlich weh, aber … that’s Racing.

Am Hohen Hagen sollte dann die Bergwertung abgenommen werden. Von dort sind es dann nur noch ca. 20 Km bis ins Ziel. Als der Anstieg losging, war ich allerdings ziemlich ausgelaugt und musste mich sehr überwinden meine Wattwerte zu fahren. Ein anderer Fahrer holte mich ein und fuhr dann mit mir auf einer Höhe neben mir. Dieser hatte aber einen wirklich ätzenden Fahrstil. Er pumpte wie verrückt mit dem Oberkörper und schnaufte dabei wie eine alte Dampflok. Das konnte und wollte ich mir nicht ansehen und ich trat härter zu. So konnte ich ihn distanzieren und vor ihm bleiben. Manchmal muss man seine Motivation eben aus solchen Erlebnissen ziehen.

t racer tour denergie 2022

Oben war ich dann allein und konnte die folgende sehr kurvige und dadurch nicht ungefährliche Abfahrt auf der Ideallinie ohne Störungen von anderen Teilnehmen gefahrlos und schnell absolvieren.

Im Tal war ich immer noch allein und nach vorne zu springen, um eine Gruppe zu erreichen, wäre bei dem brutalen Gegenwind aussichtslos gewesen. Also bin ich zügig weiter und nach kurzer Zeit bildete sich eine neue Gruppe von ca. 25 – 30 Fahrern, in welcher ich gut mitfahren konnte, obwohl die Energiereserven bereits erschöpft waren und sich erste leichte Krämpfe in den Oberschenkeln ankündigten.

In so einer Situation muss man die Arschbacken dann einfach zusammenkneifen und durchhalten, auch wenn es schwerfällt, das Tempo mitzufahren. Aber allein, bei dem Gegenwind wäre es nicht leichter. Im Gegenteil.

Die Gruppe war sehr unruhig und die starken Jungs vorne haben sich dann auch gegenseitig aufgerieben, weil niemand wirkliche Führungsarbeit leisten wollte oder konnte und bei allen, die Kräfte offensichtlich schwanden.

Beim besten Willen konnte ich da schon nur noch lutschen und habe mich als Passagier auf die Zielgerade bringen lassen.

Das mag nicht jeder gut finden, aber mehr war einfach nicht drin. Mit einer Finisherzeit von 2:56 Stunden bin ich meinem Zeitziel dann knapp gerecht geworden. Mit Platz 80 AK war ich dann auch noch recht gut platziert. (hier gehts zu den Ergebnislisten)

Im Vergleich zu den Vorjahren sogar etwas besser.

Axel (AK 73) war dann doch nur 2 Minuten vor mir, womit ich nicht gerechnet hatte. In den vergangenen Jahren hatte er stets einen etwas größeren Vorsprung.

Insofern war die Tour d´Energie 2022 die härteste meiner bisherigen Teilnahmen, aber dennoch mit einem versöhnlichen Abschluss für uns und einer Leistung, auf welcher wir aufbauen können.

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