Unsere Jungs waren diesmal in Gilserberg beim Kellerwald-Marathon im Rahmen der Nutrixxion Marathon Trophy Serie auf mehreren Strecken unterwegs und die „Zwei Brüder“ haben es sich bei der Tour D’Energie in Göttingen besorgt – aber lest selbst, was die Jungs zu berichten haben.

Rennen 1: Kellerwald Bike Marathon 23.04.2023

Kellerwald Banner


Heißsporn Hene und der alte Mann Reini starten beim Kellerwald MTB-Marathon in die Saison 2023

4:30 Uhr: der Wecker klingelt, aber eigentlich brauche ich ihn nicht, da die Nervosität groß ist und ich somit automatisch früh wach bin. Der Bulli ist bereits am Abend vorher gepackt, also los geht’s, schnell meinen Teamkollegen Hene einsammeln und dann Richtung Gilserberg (Hessen), zu einem der traditionsreichsten Marathons, dem Kellerwald-Bike-Marathon.

Dieser Marathon ist für viele in der Region die Saisoneröffnung und auch bekannt für seine sehr matschigen und klebrigen Bodenverhältnisse. Im letzten Jahr war das Wetter miserabel, die Temperaturen lagen um 0 Grad und es gab Schneeregen. Es scheint so, dass wir dieses Jahr den Wettergott auf unserer Seite haben, denn zum Start kommt sogar etwas die Sonne durch.

Das Höhenprofil:
Kellerwald Hoehenprofil

Zum Rennen:

Das Rennen gehört zur https://www.marathon-trophy.de/ Serie, ein Zusammenschluss der Rennen in und um das Sauerland. Es gibt 3 Strecken zur Auswahl: 45, 86 und 127 km – wir haben uns für 86 km mit 2000 Hm entschieden.

Wie in den Jahren zuvor, so ist auch dieses Jahr wieder alles toll vorbereitet. Es scheint, dass die ganze Stadt bzw. die ganze Region dieses Rennen LEBT und mit viel Einsatz unterstützt. DANKE an alle Helfer dafür, man fühlt sich einfach WILLKOMMEN als Biker.

Reinis und Henes Rennbericht:

Der Start findet mitten im Ort statt. Nach einer 2 km Einführungsrunde geht es nochmal durch den Start/Zielbereich und dann ist das Rennen ist eröffnet. Es geht auf der Hauptstraße quer durch die Stadt in einem – für mich – Wahnsinns-Tempo aus dem Ort heraus. Heißsporn Hendrik geht das Tempo an der Spitze natürlich mit, ich entscheide mich für den Blick auf den Wattmesser und versuche einigermaßen in meinen Bereichen zu bleiben, was mir natürlich auch nur mehr oder weniger gelingt.

Die Strecke ist wie erwartet recht matschig, aber im Gegensatz zum Vorjahr zumindest komplett fahrbar. Im Grunde besteht die Strecke aus zwei langen Anstiegen, die beide zum Schluss nochmal so richtig zu machen und richtig steil werden. Danach kommt dann ein Sägezahnprofil, wo sich kurze Anstiege mit schönen Abfahrten abwechseln. Nach dem ersten langen Anstieg folgt eine Trailabfahrt, die es aufgrund von Matsch und Spurrillen etwas in sich hat.

Mein Rennen verlief im Grunde recht ruhig, die Spitze war weg, Hendrik war weg, vereinzelt wurde ich überholt und vereinzelt habe ich überholt – aber manchmal habe ich überlegt, ob ich überhaupt noch auf der Strecke bin, so ruhig war es ;-)

In der zweiten Runde habe ich dann am Ende des ersten Anstiegs Henne am Horizont gesehen – für mich ein gutes Zeichen, dass ich nicht so viel Zeit am Start verloren habe wie ich dachte bzw. einiges an Zeit unterwegs wieder aufgeholt habe. Es folgten noch einige sehr schöne und matschige Kilometer durch den wunderschönen Kellerwald, um dann nach 4:14:42 Minuten auf Platz 42, AK Platz 7 im Ziel einzutrudeln.

Fazit: Ein sehr schöner, aber auch anspruchsvoller Marathon im wunderschönen Kellerwald, der von der ganzen Stadt Gilserberg unterstützt wird. Wir sehen uns im nächsten Jahr wieder, liebe Gilserberger!

Kellerwald Reini Henne
Svens Rennbericht:

Kellerwald 86 statt der geplanten 120 km.

Nachdem es letzte Woche in den Ardennen so gut lief ,sollte es heute bei meine Premiere im Kellerwald gleich mal die lange Strecke werden. Aber Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall: Zäher Boden und schlappe Beine haben mich das fünfstündige Zeitlimit für die Einfahrt in die dritte Runde deutlich reißen lassen.

Schade drum, aber dennoch einen schönen Tag auf dem Rad gehabt und wenigstens kurz mit Hene und Reini im Startblock geplaudert ,bevor sie zusammen mit dem Hauptbulk am Horizont verschwanden… :herausgestreckte_zunge:

Dominiks Rennbereicht:
Kellertwald Dominik

Mit dem Kellerwald Bike Marathon stand am vergangenen Wochenende auch für mich das erste Rennen der Saison 2023 an. Die 45 km „kurze“ Runde mit knapp 1000 Höhenmetern sollte für einen vergleichsweise kurzen, aber knackigen Einstieg reichen.

Im Winter habe ich mein Training etwas anders aufgebaut als in den Jahren zuvor und Akzente neu gesetzt. Natürlich war ich gespannt, ob sich dies auch in der Leistung wiederspiegelt. Eine Leistungsdiagnostik am Montag vor dem Rennen war schon recht vielversprechend, aber Wettkampf ist halt noch einmal etwas anderes.

Die Nacht vor dem Rennen habe ich in einem kleinen Hotel, 12 km von Gilserberg entfernt, verbracht und war mit wenig Schlaf alles andere als optimal. Und so wollte sich die richtige Motivation Rennen zu fahren nicht so ganz einstellen. Ein Parkplatz war schnell gefunden, das Bike zusammengebaut und nach einer kleinen Aufwärmrunde fuhr ich in Richtung Startaufstellung. Dort sortierte mich im vorderen Viertel der Teilnehmer ein. Motivation? Puh, der gefühlte Racemode lag bei 3/10 und ich habe kurz darüber nachgedacht, ob ich wirklich starte.

Als der Countdown angezählt wurde, gab es (zum Glück) kein Zurück mehr. Eine neutralisierte Einführungsrunde führte das Feld in einer Schleife durch Gilserberg. Wieder an der Startlinie angekommen, ging es direkt mit einem fliegenden Start weiter und die Jungs und Mädels vorne haben auf der asphaltierten Straße direkt Dampf gemacht. Zwei kurze, knackige Wellen sorgten direkt dafür, dass das Feld nach etwa 50 Fahrern abriss. Also Zähne zusammen beißen und lieber am Ende der ersten Gruppe fahren, als an der Spitze der zweiten.

Auf dem ersten Feldweg am Ortsausgang konnte ich dann etwas durchschnaufen. Dann folgte der erste lange Schotteranstieg an dem Kopf und Beine begannen zu diskutieren. Kopf: „So jetzt nimm raus, 230 Watt am ersten Anstieg reichen!“ Beine: „I can‘t hear you…nanananana!“ (die älteren ICQ Nutzer unter uns werden sich erinnern). Racemode 10/10. Also habe ich weiter Druck gemacht und versucht, an der Gruppe dranzubleiben. Trotz des Tempos wurde ich immer wieder von anderen überholt. Aber deren Tempo konnte und wollte ich nicht mitgehen. Die anschließende Trailabfahrt war teilweise durch tiefe, sehr matschige Stellen recht anspruchsvoll, hat aber sehr viel Spaß gemacht und ich konnte sogar Boden gut machen. Am zweiten langen Anstieg begann das Spiel wieder von vorne. Während der Kopf nun endlich mal Vernunft walten lassen wollte, waren die Beine on Fire. Das Feld war zu diesem Zeitpunkt schon recht weit auseinander gezogen und das Tempo hoch. Nur sehr langsam konnte ich versuchen, auf vor mir fahrende aufzuschließen.

Am Ende des des Anstiegs hatte sich dann eine kleine Gruppe zusammengefunden, mit der es über die nächsten welligen Streckenabschnitte ging. Schnelle Schotterpassagen wechselten sich mit extrem matschigen Trails ab, auf denen die Positionen ständig wechselten, weil immer irgendjemand stecken blieb oder Kurven nicht scharf genug nehmen konnte. Erst an einer Bachdurchfahrt riss die Gruppe auseinander. Der Führende in der Gruppe stieg vom Rad und trug sein Rad über eine schmale Holzbrücke. Anstatt einfach rechts durch den Bachlauf zu fahren, stiegen die anderen der Gruppe wie die Lemminge auch ab. Es schienen alle an ihrem Limit zu fahren und das Laktat keinen Platz mehr für klare Gedanken zu lassen.

Die letzten Kilometer bis ins Ziel wurden für mich noch mal richtig zäh. Wechselnde Untergründe, Schotter, weicher Waldboden, kurze Trails, matschige Wiesenabschnitte und die Beine voller Laktat. Minütlich wechselte die Stimmg zwischen „ausrollen lassen“ und „da geht noch was, lass dich nicht wieder einholen“. Endlich im Ziel war ich platt, aber sehr glücklich. Ich hatte das Tempo durchgezogen, war mehr als zwei Stunden am Limit. Die Analyse zu Hause zeigte mir dann, dass ich die Werte aus der Leistungsdiagnostik mehr als bestätigen konnte. Die normalized Power lag knapp unter der FTP und ich habe es geschafft meine Allzeitbestleistungen über 10, 30, 60 und 90 Minuten in nur einem Rennen zu verbessern!

Ich bin also gut gerüstet für das zweite Rennen der Nutrixxion Trophy in Arnsberg. Dort werde ich über die 35 Kilometer kurze Strecke starten und noch mal Gas geben!!

Ergebnisse Kellerwald

Rennen 2: Und jetzt geht es auf die Straße! 23.04.2023

TDE 2023 Banner

Am Sonntag 23.04.23 war für einen Großteil der Competiton-orientierten Vereinsmitglieder der Auftakt in die Wettkampfsaison. Einige sind beim Klassiker in Kellerwald auf den Strecken zwischen 45 – 120 Kilometer auf dem MTB in die Saison gestartet, während Axel und ich wie in den vergangenen Jahren in Göttingen bei der Tour d´energie die Rennradpedalen auf der 100 km-Schleife durchs schöne Göttinger Umland unter die Klickis geschnallt haben. Bei bestem Racewetter standen wir im Startblock B und warteten geduldig mit ca. 2200 anderen Teilnehmer auf die Startfreigabe. Axel hatte eigentlich die Freigabe für Startblock A aufgrund seiner etwas besseren Zielzeit aus dem Vorjahr, doch gesellte er sich aus brüderlicher Verbundenheit zu mir in den Startblock B.

Der Streckensprecher heizte den Teilnehmern mit starken Beats aus der sehr lauten Lautsprecheranlage ordentlich ein und verpasste mir schon 15 Minuten vor dem Start einen ordentlichen Gänsehautmoment, als er den mit 83 Jahren ältesten Starter auf der 100 km-Strecke vorstellte. Leider habe ich den Namen nicht verstanden und konnte in der Ergebnisliste nicht nachrecherchieren. Dennoch habe ich mich nachträglich etwas mit den Altersklassen beschäftigt und konnte in Erfahrung bringen, dass in der Altersklasse Master 5 M (also der Herren zwischen 70 – 80 Jahre) insgesamt 12 Teilnehmer ins Ziel gekommen sind. Die Zeiten zwischen 2:50 h für den ersten der Altersklasse bis 4:08 h für die Nummer 12 belegen, dass Radsport auch im fortgeschrittenen Alter auf einem guten Niveau möglich und dem allgemeinen Gesundheitszustand zuträglich ist. Ich als Endvierziger finde ich mich mit meiner Finisher-Zeit mittendrinn auch wieder, was mir noch mehr Respekt gegenüber den älteren Athleten abzollt, als der bloße Wille, sich überhaupt an eine Startlinie zu stellen ohnehin schon. Ganz zu schweigen, dass im Vorfeld natürlich auch adäquat trainiert werden muss, um so eine Strecke generell absolvieren zu können.

Ich kann euch mitteilen, dass ich gestern nach dem Rennen schon ordentlich bratfertig war und am Nachmittag zu Hause nicht mehr viel Energie für Aktivitäten übrig gewesen ist. Um es in der Treki-Sprache darzustellen: Sämtliche Energie nebst Hilfsenergie wurde auf die Lebenserhaltung umgeleitet, um überhaupt noch einen Funken Handlungsfähigkeit inne zu haben.

Nun aber zurück zum eigentlichen Renngeschehen: Um 10:55 Uhr entlässt uns der Streckensprecher auf die Strecke. Zunächst neutralisiert aus der Stadt heraus, um dann fliegend vor den Toren der Stadt scharf zu starten. Über den Winter habe ich bei zahlreichen Zwift-Rennen an meiner Startschwäche gearbeitet. Nun sollte sich zeigen, ob mein Training etwas gebracht hat. Ich bin in der unruhigen Startphase immer vorwärtsorientiert in der Gruppe mitgefahren und habe dabei auf den ersten 10 Kilometern immer wieder mal kleinere Löcher zugefahren, welche sich bilden, wenn schwächere Fahrer vor einem plötzlich aus der langen Schlange, oder den Gruppen, die sich gebildet haben, herausfallen. Gefühlt habe ich mich nicht so verausgaben müssen wie sonst nach dem Start und Axel habe ich nicht mehr gesehen. Ich war mir aber nicht sicher, ob er sich unbemerkt im bunten Trikotgewirr von mir abgesetzt hatte oder nicht.

Bei ungefähr Kilometer 15 geht es erstmals nennenswert in eine Steigung. Hier zerfallen gebildete Gruppen sehr schnell, weil die schwächeren Fahrer, welche im Flachen noch mitfahren können, aber schon über ihren Verhältnissen fahren dann raus müssen, weil der Windschatten keine übergeordnete Rolle mehr spielt, sondern jetzt die Kraftausdauer gefragt ist. Ich habe mich also linksorientiert auf der Fahrbahn langsam vorwärts gekämpft und Fahrer für Fahrer überholt. Aber natürlich bin auch ich als eher schwerer Fahrer von zahlreichen anderen Fahrern überholt worden. Auch von Axel! Er war also hinter mir. Der Schnellstarter war hinter mir, dem vermeintlich schwächeren Starter. Cool. Das Training scheint anzuschlagen.

Wir haben beide eine Gruppe gefunden und sind gemeinsam die nächsten 15 Kilometer mitgefahren. Bis in die Ortschaft Meensen. Hier wird rechtwinklig abgebogen und es geht scharf bergauf, ca. 50 Höhenmeter zwischen 5– 7 % Steigungswinkel. Im Augenwinkel habe ich gesehen, wie Axel links an mir vorbeifährt und Abstand gewinnt. Das Momentum war hier eindeutig auf seiner Seite. Ich konnte nicht reagieren, weil ich a: zu schwach war und b: ich rechts am Fahrbahnrand eingebaut zwischen anderen Fahrern war und keine Gelegenheit hatte mich zu befreien.

Ich habe mich kurz etwas zurückfallen lassen, indem ich ein paar Pedaltritte schwächer zugetreten habe und konnte mich dann nach links befreien, um Axel zu folgen. Er hatte vielleicht 50 – 70 Meter Vorsprung, aber die Steigung ließ nach und oben auf der Kuppe war er in einer neuen Gruppe und ich dahinter. Das Loch zufahren war nicht mehr möglich, so dass wir ab hier getrennt voneinander weiterfahren mussten.

In den folgenden Abfahrten war mir klar, dass ich bis Hann. Münden den Anschluss nicht wiederherstellen werden kann. Dann entlang der Weser, flach mit starkem Rückenwind bei 45 Km/h würde es ebenfalls nicht gelingen. Am Anstieg im Bramwald bei Kilometer 50 von Hemeln hinauf ca. 250 Höhenmeter zur ersten Verpflegung habe ich mir ebenfalls keine Chancen eingeräumt, wieder in Axels Gruppe zu gelangen. Aber ich war zufrieden mit mir und wir sind in unserer Gruppe wirklich zügig vorangekommen.

Nach der Verpflegung ist dann etwas passiert, was mir noch niemals an dieser Stelle passiert ist. Die Gruppe ,mit welcher ich in den Anstieg gefahren bin, hat sich komplett zerlegt bis zur Kuppe. Ich bin dann nur mit drei weiteren von ehemals vielleicht 50 Fahrern in die Abfahrt gegangen. Auch der Blick nach hinten, um ggfs. zu warten, bis sich die Gruppe wieder formiert hatte ,verhieß nichts Gutes. Denn dort war niemand zu sehen. Die folgenden 20 KM bis kurz vor Dransfeld sind wir also zunächst zu viert gefahren, wobei ich mich mit einem weiteren Fahrer absetzen konnte, bzw. 2 aus unserer Minigruppe einfach zu schwach waren und geplatzt sind.

Nun zu zweit sind wir häufige Führungswechsel gefahren und ich habe immer zugesehen, nicht zu stark zu pushen, denn in meiner linken Wade zuckte es ab und an schon. Krämpfe machten sich bemerkbar und zeigten ihr fieses Gesicht. Nicht ungewöhnlich, aber viel zu früh zu diesem Zeitpunkt. Getrunken hatte ich ausreichend und auch mehrere Kohlenhydrathaltige Gels hatte ich schon verzehrt. Sorgen machte ich mir hier noch nicht.

Hinter der Ortschaft Güntersen macht die Strecke einen scharfen Rechtsknick. Bis Dransfeld zur Bergwertung sind es ab hier noch 6 Kilometer. Der Wind blies hier wirklich scharf von vorne und mein Mitstreiter, das konnte ich anhand seiner Körperspannung sehen, gab alles, um auf Geschwindigkeit zu bleiben. So konnten wir aber keinesfalls bis Dransfeld fahren. Meine Befürchtung war, dass wir bis dort bereits alle unsere Kräfte aufgebraucht hätten, und es dann nur noch Quälerei geworden wäre. Zudem zuckte es kräftig an verschiedenen Stellen in meiner malträtierten Beinmuskulatur. Ich habe ihn dann angesprochen und aufgefordert auf die nächste Gruppe von hinten zu warten. Ich glaube er war ganz froh über diesen Hinweis. Wir ließen kurz die Beine hängen und nur wenige Augenblicke später wurden wir von ca. 15 – 20 Fahrern aufgesammelt und konnten erstmal mitrollen und etwas regenerieren, ohne Geschwindigkeit einzubüßen. Die Gruppe war allerdings sehr unharmonisch und recht schnell fand ich mich in vorderer Position wieder, als die Fahrbahn leicht zu steigen begann. Dennoch konnte ich bis Dransfeld einigermaßen Kräfte schonen, bis es in die Bergwertung ging.

Was für ein Drama. Es fiel mir so schwer, auch nur 250 Watt auf die Pedale zu bringen, so dass ich von zahlreichen Fahrern überholt worden bin. So viele wie noch niemals zuvor an dieser Stelle bei meinen anderen Teilnahmen. Eine Erklärung habe ich bislang noch nicht gefunden, weil der bisherige Rennverlauf trotz individueller Ereignisse, die so ein Renntag mit sich bringt, eigentlich sehr gut verlaufen ist. Ich habe immer auf meine Wattwerte geschaut, mich versucht taktisch geschickt in den Feldern zu bewegen und habe mich gut verpflegt.

Aber egal. Irgendwann bin ich oben angekommen. Die vielen, vielen Zuschauer am Streckenrand haben mich ordentlich motiviert. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Tour d´energie im Göttinger Umland in der Bevölkerung scheinbar einen hohen Akzeptanzwert inne hat, was sich dadurch zeigt, dass in wirklich jeder Ortschaft Zuschauer an der Strecke stehen und jeden Fahrer frenetisch anfeuern mit Rasseln, Trommeln, Gesängen, Lautsprechern, Verkleidungen und und und. Das finde ich wirklich stark und außergewöhnlich.

Ich kenne das leider aus dem Landkreis Hameln – Pyrmont etwas anders. Hier hatte ein Veranstalter vor ein paar Jahren versucht ein großes Radsportereignis zu etablieren. Der GFNY, Grand Fondo New York, sollte hier im Weserbergland eine dauerhafte Dependance finden. Doch leider ist dem Veranstalter bereits bei den Entscheidungsträgern der Genehmigungsbehörden starker Gegenwind entgegengebracht worden.

Dennoch hat er es geschafft, drei tolle Veranstaltungen trotz aller Widrigkeiten durchzuführen. Nur war die Beschwerdelage der Anwohner, welche am Sonntag für einen kurzen Zeitraum nicht aus ihrer Einfahrt fahren konnten, um wie gewohnt Brötchen zu holen, so hoch, dass es bei diesen drei Veranstaltungen geblieben ist und der Vertrag nicht verlängert wurde. Der GFNY ist in eine andere Region von Deutschland abgewandert. Eine verpasste Chance für die gesamte Region sich, außerhalb der angestaubten Rattenfängersaga, im Rahmen des Sports zu präsentieren.

Aber zurück nach Göttingen. Dort ziehen offensichtlich alle an einem Strang und haben sich zusammengetan, um diese tolle Rennveranstaltung auf gesperrten Straßen seit vielen Jahren erfolgreich zu etablieren. Nur um mal die Verhältnisse darzustellen: In Göttingen befinden sich Start und Ziel nicht an derselben Stelle. Ziel ist mitten in Göttingen auf einer Hauptverkehrskreuzung. Diese wird kurzerhand für einen Tag komplett gesperrt und der Verkehr umgeleitet. Wie geil ist das denn!? Alleine dieser Umstand zeigt für mich, wie angesehen der Radsport dort ist.

Ich bin an der Bergwertung angekommen. Jetzt sind es nur noch etwas mehr als 20 KM bis ins Ziel. Ich sehe auf die Fahrzeit und rechne mir aus, dass ich deutlich unter meinem Minimalziel von Sub 3h bleiben sollte. Auch die Zeit vom letzten Jahr sollte unterboten werden. Doch so einfach wie ich es mir vorgestellt habe, sollte es dann doch nicht werden. Erfahrungsgemäß ist es auf den letzten 20 Kilometern ohne weiteres möglich, einen 40er Schnitt oder sogar deutlich schneller zu fahren. Schnell noch ein Gel konsumieren und dann ging es auch schon auf die kurvenreiche Abfahrt. Diese ist nicht ungefährlich, weil man sehr schnell wird und die Kurven zum Ausgang hin stark zu machen. Manch einer landet hier im Straßengraben. Ich komme gut durch und bin wieder alleine unterwegs. Vor mir, vielleicht 100 Meter formiert sich eine Gruppe. Ich versuche natürlich kontrolliert dorthin zu springen. Klappt aber nicht. Die linke Wade zuckt wieder und Krämpfe machen sich bemerkbar. Ich nehme etwas Druck vom Pedal und fahre trotzdem mit über 40 km/h hinter der Gruppe her. Der Abstand verändert sich nicht, doch jedes Mal wenn ich etwas mehr investieren will, krampft es. Also locker weiter und hoffen, dass von hinten jemand kommt. Es kommt aber niemand und wenn, dann nur Einzelfahrer.
Einer hämmert so schnell an mir vorbei, dass ich gar nicht erst versuche mitzufahren. Dem gehen dann aber schnell die Kräfte aus, so dass ich ihn einhole und er es nicht schafft an mir dran zu bleiben. Schließlich holt mich ein großer schlanker Fahrer ein und wir versuchen gemeinsam an die immer noch in erreichbarer Distanz vor uns fahrende Gruppe zu gelangen. Nach kurzer Kommunikation entscheiden wir uns aber, die ca. 10 köpfige Gruppe hinter uns zu nutzen, welche im D-Zug Tempo auf uns auffährt. Gesagt, getan, es gelingt, hinten reinzuspringen und mitzufahren, bis wir die inzwischen recht große Gruppe vor uns erreichen und rasant weiter in Rtg. Autobahn fahren.

Kurz hinter der Ortschaft Mariengarten müssen wir scharf nach links unmittelbar vor derA38 abbiegen. Hier geht es ein paar Meter bergauf und ich sprinte mit den anderen mit, um die Gruppe zu halten. 350 Meter, 9 Höhenmeter, 400 Watt Leistung. Das Segment bei Strava für diese Stelle nennt sich A38 Pickel. Das beschreibt die Stelle meines Erachtens ganz gut. Es nervt wie ein eitriger Pickel, der hier ausgequetscht werden will. Wir waren hier so schnell, dass wir die nächste sehr große Gruppe unmittelbar vor uns hatten. Ich habe schon wieder gemerkt, wie sich Krämpfe ankündigen und genau in dem Moment, als wir in der Unterführung der A7 die andere Gruppe einholen, schießt ein Krampf mit voller Gewalt in den linken Oberschenkel, so dass ich mich aufrichten muss, um im Stehen den Krampf zu bekämpfen. Schönen Dank A38 Pickel. Dazu muss ich 3 – 4 Pedaltritte auslassen, was dann ausgereicht hat, die Gruppe komplett zu verlieren. Mann, was habe ich mich geärgert.

Kilometer 86, dass Ziel in Sicht und ich kacke voll ab. Ich habe keine Chance, wieder in die Gruppe zu gelangen. Alles oberhalb von 250 Watt verursacht Krämpfe. Erst im linken Oberschenkel und dann auch noch im rechten. Trotzdem kann ich dank Rückenwind die 40km/h noch halten. Ich ärgere mich erneut. Kraft wäre noch da, ich kann sie nur nicht einsetzen.

Kurz vor der Biogasanlage bei Kilometer 93 werde ich von einer weiteren Gruppe eingeholt. Bis dahin bin ich komplett alleine unterwegs gewesen und habe die ganze Zeit Krampfmanagement betreiben müssen. Ich lasse die Gruppe passieren und versuche, dosiert am Ende mitzufahren. Es gelingt leidlich gut bis zum Kreisel an der Biogasanlage. Dort wird scharf rechts abgebogen, in der Kurve das Tempo verschleppt und anschließend voll herausbeschleunigt. Ich denke nur, jetzt alles oder nichts und fahre mit. 350, 400, 450 Watt liegen an, ich kann die Gruppe halten und es stellen sich zum Glück keine Krämpfe ein. Bis, ja bis zur Überquerung der Eisenbahnbrücke bei KM 95. Leichte Steigung, Erhöhung der Leistung und zack, Krampf in beiden Oberschenkeln. Ich muss mich hinstellen und beide Beine durchstecken, um die Krämpfe zu lösen. Die Gruppe fährt weiter. Irgendwie halte ich den Anschluss und kann die letzten 5 Kilometer bis ins Ziel mitrollen. Den Zielsprint lasse ich aber aus.

Axel wartet schon auf mich. Sein Vorsprung beträgt knapp 5 Minuten. Hätte schlimmer sein können. Mein Ziel Sub 3h habe ich erreicht. Jede Menge neue Erfahrungen habe ich heute gesammelt und viel Spaß bei diesem Rennen gehabt. Anschließend haben wir uns wie immer bei Bratwurst Leinemann in Northeim auf dem Autohof zu Currywurst Pommes weiß mit einem Radler dazu getroffen und über unsere Heldentat voller Stolz über das Geleistete sinniert.

Jetzt heißt es schnell regenerieren und sich auf das nächste große Event am kommenden Samstag in Riva del Garda vorzubereiten…

Bis dahin T-Racer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert