Die erste Rennhälfte war aufregend und spannend. Für mich gab es viel zu tun, genauso wie für das restliche Team. Wir alle bereiteten uns auf die Nacht vor, eine schwierige Phase des Rennens. Keiner von uns konnte schlafen, alle sorgten für optimale Unterstützung für Daniel.

Die Nacht bringt einen weiteren Defekt

Mittlerweile war es dunkel und wir waren mitten in der Nacht. Dass die Rundenzeiten steigen würden war grundsätzlich klar, auch wenn Daniel mit Lupine Wilma am Rad und Lupine Piko am Helm optimal ausgestattet war. Tatsächlich war es rund um uns leiser geworden, die Nacht hat ihre eigenen Gesetze und alle Teams waren sich dessen bewußt. Während die Nachbarteams ihren Helfern etwas Schlaf gönnten, blieben bei uns alle wach. Es war einfach zu spannend und wir wussten, dass es Daniel nicht gut geht und er alle Unterstützung brauchte. Auch hier machte sich die gute Zusammenstellung des Teams bemerkbar, wir hatten richtig Spaß in der Nacht. Die Frage von Johannes „Fahren einige Singel-Speed weil die nicht so reich sind?“ bescherte uns eine enorm witzige Diskussion, die einen ganzen Stint dauerte. Es war wirklich sehr witzig was daraus entstand.

Bei der nächsten Durchfahrt bemängelte Daniel ein Geräusch aus dem hinteren Bereich des Rades. Beim Stop konnte ich das Geräusch im Stand nicht nachvolziehen und nach einem kurzen Check der Schaltung und der Befestigung des Hinterades mit positivem Ergebnis schickte ich Daniel wieder auf die Strecke. Ich lief noch ein Stück neben her und konnte das Geräusch auch deutlich hören. Da das Geräusch lauter wurde, entschieden wir uns noch einmal zu einem kurzen Stop, bei dem ich das Ersatzlaufrad gegen das Einsatzlaufrad tauschte. Mit diesem Tausch war das Geräusch verschwunden. Ich untersuchte das getauschte Laufrad und musste feststellen, dass mehrere Speichen lose waren. Die losen Speichen resultierten vermutlich aus dem Sturz von Daniel beim Marathon in Villingen und der Belastung auf dem anspruchsvollen Kurs hier in Italien. Da ich das Carbonlaufrad aber schon vorbereitet hatte, war der Wechsel nur ein Handgriff.

Meine Sorgen und Besuch in der Box

In der 18. Runde wollte Daniel erneut eine Pause machen. In dieser Pause machte ich mir Sorgen, denn Daniels Verhalten tendierte in die Richtung des 24 Stunden Rennens letztes Jahr in Gulbergen, kurz bevor er das Rennen abgebrochen hatte. Jetzt galt es den schmalen Grad zwischen fordender Motivation und nicht zu hohem Druck zu finden, eine schwierige Aufgabe. Daniel lag zu dieser Zeit auf Platz 4, aber Daniel wollte sich nur nach hinten absichern, das Team wollte ihn aber pushen um Platz 3 anzugreifen. Diese Situation kannte ich auch aus Gulbergen, wo Daniel genauso gut platziert war und ständig wissen wollte wie der Abstand zu Platz 10 war. Für mich völlig unverständlich damals wie heute. Aber das ganze Team agierte zusammen und Daniel stieg endlich wieder aufs Rad. Ich sehnte das Morgengrauen herbei! Das würde hoffentlich einen Motivationsschub bringen.

Aber nicht nur Daniel bekam unsere Unterstützung: Marko und Marie, die als 2er-Team fuhren, profitierten auch davon. Irgendwann kam Marie vorbei und meinte irgendwas würde komisch knacken an Ihrem Rad und die Luft sollte auch nochmal kontrolliert werden. Natürlich kontrollierte ich alles an ihrem Rad, konnte aber keine Mängel feststellen.

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Der Morgen graut und das Team bekommt Unterstützung

Der Zustand von Daniel machte mir weiter Sorgen. Ich hatte die Befürchtung, dass er in das gleiche Tief geraten würde wie bei den 24h in Gulbergen. Ich war froh als es wieder heller wurde. Mittlerweile war er auf dem dritten Platz und er legte trotzdem eine längere Pause ein. Alle im Team arbeiteten daran, dass er wieder aufs Rad stieg und er tat es. Begleitet von unserem Applaus und Anfeuerungen.

 

Irgendwann tauchte Marko bei uns auf und fragte nach Kaffee, den ich ihm natürlich gerne zubereitete. Wir diskutierten mit ihm die Situation rund um Daniel und er wollte bleiben bis Daniel vorbei kommt und bei der Motivation mithelfen. Als er dann angefahren kam und schon wieder zu einer Pause ansetzen wollte, wurde der Zugang zum Stuhl leider von Maren und Marko versperrt. Marko sagte: „Du liegst auf Platz zwei, jetzt streng Dich mal n bischen an!“ und noch andere Aussagen, die wir uns als Team nicht getraut hätten. Daniel quittierte das mit der Antwort: „Jetzt setz mich nicht unter Druck!“ und mit einem gezielten Wurf eines Gels nach Marko! Glücklicher Weise lockerte das die gesamte Stimmung und ich konnte spüren, dass die Motivation zu Daniel zurückkehrte.

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Also ging er noch Mal auf die Strecke und ich brüllte ihn an, dass er das schaffen würde! Marko machte sich dann auf zur Wechselzone und fragte uns aber vorher, ob er Marie auch für einen Kaffee vorbeischicken könnte. Natürlich konnte er das! Marie kam auch nach ihrer Runde direkt zu uns und wurde mit Kaffee versorgt und bekam auch noch etwas Tofu zum kühlen für ihre Druckstellen am Kopf durch den Helm. Außerdem trösten wir auch noch ihre leidende Seele!

Die spannende Endphase

Bei der nächsten kurzen Pause verriet uns Daniel seinen Plan: eine Runde noch, dann eine lange Pause und dann die letzte Runde in Angriff nehmen. Und da ich in der letzten Runde an der Box nicht mehr gebraucht wurde, lud mich Daniel ein, ihn auf der finalen Runde zu begleiten. Da war ich mächtig stolz und musste nicht lange überlegen. Während Daniel sich auf die vorletzte Runde begab, zog ich schon mal meine Radklamotten an.

Das Team versuchte krampfhaft den Fahrer auf dem vierten Platz zu finden, um den Abstand festzustellen. Jede Fahrernummer von den Fahrern die vorbei kamen wurde geprüft, aber die Nummer des 4. Platzierten ließ sich nicht blicken. Ich stand wieder mal auf meiner Warteposition am Eingang zum Camp, als ich die Startnummer des bis dahin Vierten erblickte, samt Fahrer und Rad natürlich. Er kam zu Fuß die Straße entlang und hatte das Rennen beendet. Damit war der dritte Platz fast schon sicher, denn zum bis dahin auf der 5 liegenden Fahrer waren drei Runden Abstand.

Leider sorgte die Information, dafür, dass Daniel sich noch mehr auf seinem Abstand ausruhen wollte. Er kam zur letzten langen Pause rein und wollte eigentlich überhaupt nicht mehr fahren. Er war am Ende, das sah man ihm an. Wir waren uns aber nicht 100% sicher, dass es für den dritten Platz reichen würde, er musste noch einmal los! Also bequatschten wir ihn die ganze Zeit, dass es weiter gehen musste.

 

Nach langer Zeit quälte sich Daniel noch ein letztes Mal aufs Rad und ging auf die letzte Runde. Ich folgte ihm als Flügelmann. Er fuhr wirklich extrem langsam, jemand der noch kein 24 Stunden Rennen gefahren ist, kann diese Erschöpfung und Belastung nicht nachvollziehen.

Eine letzte Runde auf einem großartigen Kurs

In den Downhills konnte Daniel laufen lassen, selbst in seinem erschöpften Zustand war er da schneller als ich. Berg hoch versuchte er die letzten nicht vorhanden Reserven zu aktivieren. Plötzlich gab es doch noch technische Schwierigkeiten! Aber nicht bei Daniel, sondern an meinem Rad. Irgendwie war die Kette beim hochschalten über das größte Ritzel, zwischen Ritzelpaket und Speichen gerutscht. Ich hantierte hektisch an meinem Rad rum und sagte Daniel, er möge schon weiter fahren. Nach langem Gefummel hatte ich die Kette endlich wieder auf dem Ritzel.

Ich machte mich auf die Verfolgung von Daniel und war realtiv schnell wieder an ihm dran. Im nächsten schnellen Downhill konnte ich Daniel gut folgen, deshalb kam es zu einem kurzen Schreckmoment für mich. Auf den Runden zuvor hatte ich meine Linie für die Abfahrt auf der felsigen Strecke gefunden. Jetzt hinter Daniel orientierte ich mich an seiner Linie, die eine ganz andere war. Das brachte mich an einer Stelle kurzzeitig ins Straucheln, glücklicher Weise konnte ich ein Sturz aber verhindern und konzentrierte mich danach wieder auf meine Linie.

Wir fuhren zusammen weiter und durch das langsame fahren konnte ich noch einmal die tolle Aussicht über die felsige Küste und das Meer genießen. Nach zwei Dritteln der Strecke passierte mir das gleiche Mißgeschick, wieder sprang die Kette ungünstig ab. Daniel fuhr natürlich weiter und ich fummelte die Kette wieder aus den Speichen. Danach fuhr ich wieder hinter Daniel her. Ich traf ihn erst wieder im Camp und wir fuhren gemeinsam noch einmal an der Box vorbei. Dann verabschiedete ich mich und nahm den Weg zum Ziel durch das Expo-Gelände, während Daniel die letzten Meter auf der Strecke zurück legte.

Zieldurchfahrt und unsensibles Verhalten des Managers

Gespannt wartete ich am Zielbogen auf die Zieldurchfahrt von Daniel. Marie gesellt sich auch zu mir und wir warten gemeinsam. Im Zielbereich ist wirklich die Hölle los, die Masse wird vom Streckensprecher animiert und irgendwann fängt der Countdown der letzten 10 Sekunden an. Gänsehaut! Und dann biegen auch schon die ersten Fahrer aus dem Wald ab in den Zielbereich und fahren unter tosendem Beifall durch den Zielbogen. Daniel ist einer der ersten Fahrer, es ist geschafft!

In der Menge suche ich Daniel und als ich finde gratuliere ich ihm mit einer fetten Umarmung. Ich nehme ihm das Rad ab, damit er zu den anderen kann, die weiter oben auf dem Gelände auf ihn warten. Ich suche mir erst mal einen Platz abseits des Trubels und während ich da mit den zwei Rädern stehe, heule ich mir erst mal eins. Die ganze Anspannung der letzten Tage löst sich.

Wer die Funktion des Team-Managers und Mechanikers selber noch nicht erlebt hat, wird das Gefühl dass in mir herrschte nicht nach vollziehen können. Monate lange Vorbereitung, Gespräche, Entscheidungen, Schrauberei und Training waren von Erfolg gekrönt. Es waren 24 Stunden mit totaler Konzentration und Fokus auf ein Ziel vergangen. Das Team hatte perfekt zusammen gearbeitet, es gab zu keinem Zeitpunkt Unstimmigkeiten über irgend etwas.

Ich habe mich nach der Zieldurchfahrt aus verschiedenen Gründen unsensibel verhalten, in dem ich weder zusammen mit allen die Zieldurchfahrt gefeiert habe noch der bei der späteren Siegerehrung anwesend war. Dafür gibt es Gründe, die nachvollziehbar sind, die aber ein solches Verhalten nicht rechtfertigen. Ich bereue zu tiefst diese Momente nicht miterlebt zu haben. Eins ist sicher, sollte ich Daniel noch einmal betreuen dürfen, passiert das nicht noch einmal.

Danke sagen ist zu wenig

Wie auch Daniel möchte ich mich bedanken. Als erstes logischer Weise bei Daniel selber, der dies alles erst möglich gemacht hat. Für die gemeiname Vorbereitungszeit, von der ich in hohem Maße profitiert habe. Für viele Gespräche und Diskussionen, die uns immer weiter zusammen geführt haben, trotz dass wir zwei ganz unterschiedliche Menschen sind. Und für die Leistung dieses Rennen auf dem dritten Platz zu beenden. Die ganze Zeit lag ein leichter Schatten über mir, der aus den Erfahrungen aus dem 24 Stunden Rennen in Gulbergen resultierte. Diesen Schatten haben wir gemeinsam weg gewischt! Und natürlich für die Erfahrung im MTB-Mekka Finale Ligure meine Runden drehen zu können.

Cristina und Johannes! Was war ich skeptisch! Wie konnte jemand die Rolle der Ernährungsstrategen erfüllen, der erst kurz vor dem Event in die Planung einbezogen wurde. Spätestens nach 2 Minuten der Teamsitzung war diese Skepsis verflogen! Ihr hab Euch beide von Anfang an auf dieses Abenteuer eingelassen ohne wenn und aber. Ihr habt Euch so rein gekniet und von Anfang ernsthaft an dem Rennen teilgenommen. Christina, die Dokumentation der Ernährung und das Nachvollziehen des Ablaufs hätte ich so gewissenhaft und genau nie hin bekommen! Das war großartig, die Tabelle gehört eingerahmt und aufgehangen. Johannes, Du hast mit tollen Ideen und Überlegungen unsere Sichtweise geändert und warst eine erstklassige Unterstützung. Und Du hast uns so geholfen mit Deinen Liegestützen, die immer wieder motiviert haben. Das Singel-Speed-Thema lass ich jetzt mal, was haben wir gelacht, das war ein Highlight der Nacht!

Maren! Was soll ich sagen? Du warst der Ruhepol, die Social-Media-Uschi! Alles was Du gemacht hast strahlte Ruhe aus, nie wurde es bei Dir hektisch! Was hätte ich nur ohne Dich gemacht, den ganzen Social-Media-Kram hätte ich so nicht erledigen können. Und mit Beharrlichkeit hast Du Dich um den Media-Zugang gekümmert, hast nicht locker gelassen, bis es für uns optimal war. Du bist Kilometer weit zwischen Camp und Presse-Raum gelaufen, um die Community zu unterhalten und um Zeiten und Platzierungen zu checken. Und ganz nebenbei hast Du Christina und Johannes noch unterstützt und mich beim schrauben auch noch. Du warst quasi immer da wo Du gebraucht wurdest!

Jenny und Pups! Es war so wertvoll Euch dabei zu haben. Pups hat mich immer wieder auf den Boden geholt und mir die Einfachheit der Dinge bewußt gemacht, einfach mit dem da sein und dem rumlaufen. Es ist immer gut eine fröhliche Kinderstimme in der Nähe zu haben. Und Du hast uns alle ertragen, hast Daniel den nötigen Rückhalt gegeben und hast am besten von uns allen angefeuert!

Und auch Marie und Marko gebührt Dank. Eure Besuche waren immer eine willkommene Abwechslung und der letzte Besuch von Marko mit Motivationsarbeit für Daniel war Gold wert! Entschuldige noch mal, dass Du vom Protagonisten mit einem Wurfgeschoß angegriffen wurdest! ;-)

Zum Schluß möchte ich Euch, die ihr den Blog lest, uns auf Facebook und Twitter folgt, danken! Eure Unterstützung und Euer Interesse hat uns motiviert und das ganze Vorhaben abgerundet.

Von ganzem Herzen vielen Dank Daniel, dem Team und der Community!

2 Gedanken zu „#wemboFinale Manager bei der Weltmeisterschaft Teil 5“

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