Noch nie in meiner noch kurzen Radsport-Phase war ich vor einer Veranstaltung so aufgeregt und habe mir so viele Gedanken gemacht wie zur Zeit. Alles dreht sich momentan um den bevorstehenden Ötztaler Radmarathon am 28.08.2022. Es fühlt sich an wie ein First Date und genau so spannend ist es auch. Dabei ist es keine negative Aufregung, auch wenn sich immer wieder Zweifel anschleichen. Ein Einblick in meine Gedankenwelt.

Es fühlt sich ein bisschen so an wie die Zeit in der ich meine Frau kennengelernt habe. Eine positive Aufregung auf das was da kommt. Viele Gedankenspiele wie es wohl werden wird, wie es sich anfühlt und natürlich welches Ende es nehmen wird. Quasi ein First Date mit einem Radsport-Monument.

Kurz die Fakten: der Ötztaler Radmarathon ist ein Langdistanz-Rennen auf dem Rennrad. Es geht dieses Jahr, durch kleine Streckenänderungen, 233km und 5700hm über 4 Alpenpässe. In der Reihenfolge Kühtai, Brenner, Jaufenpass und Timmelsjoch führt der Rundkurs von und nach Sölden. Die Schnellsten fahren die Strecke in 7 Stunden 30 Minuten, Ziel Schluß ist nach 14 Stunden. Start ist 6:30 Uhr.

Hoehenprofil

Halt mal meinen Recovery-Shake

Den Startplatz erhält man durch ein Auslosungsverfahren, da es jedes Jahr ca. 15000 Anmeldungen gibt, die Startplätze aber auf 4000 begrenzt sind. Als mir über Facebook und Instagram im letzten Jahr die Anmeldemöglichkeit zu gespielt wurde, dachte ich mir: „ach komm, meld Dich mal an, bei deinem Pech bei Verlosungen kriegste eh keinen Startplatz!“ Anmeldung los geschickt und drei Tage später auch schon wieder vergessen. Als dann Anfang April eine Mail vom Ötztaler Orga Team ins Posfach trudelte und ich diese las, bekam ich kurz Gänsehaut, gefolgt von Hitzewallungen: ich hatte einen der begehrten Startplätze erhalten! Vorfreude mischte sich mit Zweifeln. Vorfreude auf lange Anstiege, die Bergwelt und die Veranstaltung. Zweifel ob ich diese Strecke mit ihrer Länge und den Höhenmetern überhaupt schaffen kann. Sei es drum, die Anmeldung steht und damit hatte ich ein Saison-Highlight. Aber erst standen noch Rennen auf dem Montainbike an, deshalb ging der Fokus erst einmal in diese Richtung.

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Update fürs Material

Nachdem die Mountainbike Rennen erfolgreich bestritten waren, richetete ich die Trainings auf die lange Distanz auf dem Rennrad aus. Zuerst machte ich mir aber Gedanken über das Material. Würde ich ein solches Rennen mit meinem alten Canyon Alu-Rennrad bestreiten können? Das Gewicht ist mit knapp unter 9kg so lala, Felgenbremsen sind jetzt grundsätzlich nicht mehr Stand der Technik, einzig die Übersetzung mit kleines Ritzel vorne 34 Zähne und hinten11-32 Kassette ist einigermaßen bergtauglich. Was aber dringend her musste, war ein Leistungsmesser, denn bei diesen Höhenmetern würde ich nach Gefühl fahrend am ersten Berg hoffnungslos überziehen.

Also wurden neben neuen Bremsklötzen und neuen Reifen auch ein Powermeter von unserem Partner Power2max bestellt. Da die Kurbelgarnitur mit Powermeter eine 30mm Achse hat, wurde das Tretlager gegen ein neues getauscht und die Schaltzüge wurden noch ersetzt. Die ersten Ausfahrten zeigten, dass das Rad kein Hinderungsgrund ist, das Event erfolgreich zu beenden.

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Durchfahrtszeiten, Pacing, Nahrungsaufnahme

Diese Begriffe waren bisher für mich irrelevant. Bei den Mitteldistanzrennen auf dem Mountainbike hab ich zwar darauf geachtet nicht zu überziehen, aber ich habe mich selten an Wattwerten orientiert. Genauso war es bei der Nahrungsaufnahme, hier und da mal was gegessen und getrunken, wird schon schief gehen. Ist es dann auch einmal auf der langen Distanz bei MTB am Rursee 2019.

Jetzt drehen sich seit ein paar Wochen meine Gedanken um nichts anderes mehr. Dabei macht es das Streckenprofil relaiv einfach eine Pacingstrategie fest zu legen: eine lange leichte berab Fahrt am Anfang, drei Hauptanstiege, ein langer Anstieg zum Brenner und dazugehörige Abfahrten. Nur ist es durch die Distanz und die Höhenmeter nicht ganz so einfach zu betrachten. Allein der erste Anstieg zum Kühtai hat knapp 1100 Höhenmeter am Stück, das ist schon mehr als die Hälfte der Höhenmeter bei einem MTB-Mitteldistanzrennen. Aber hier kommen noch 4600 Höhenmeter und der Scharfrichter natürlich am Ende mit dem Timmlesjoch. Unvorstellbar nach 1100hm noch mal das vierfache zu fahren. Die 233 Kilometer machen mir keine Sorgen, dass ich lange fahren kann, weiss ich. Aber die Kombi macht das ganze zur Herausforderung. Da für das Rennen die Straßen temorär gesperrt werden, gibt es auch Kontrollpunkte mit Endzeiten die man erreichen muss, um nicht aus der Wertung genommen zu werden. Das ist das Damokles-Schwert, was die ganze Zeit über mir baumeln wird. Es ist total schwer für mich einzuschätzen was ich erreichen kann.

Mittlerweile habe ich eine Strategie. Die Podcastaufnahme mit Axel und Thomas, studieren von Pacing-Tabellen und -Tools und einschlägige Videos von Ötztaler Vorbereitungen haben mir Sicherheit gegeben. Trotzdem gehe ich die Strategie quasi täglich im Kopf durch. Genau wie die Strecke. Gebt mir ein Blatt und einen Stift und ich male Euch die Strecke mit Höhenprofil auf. Alles Theorie, erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das Wetter wird eine große Rolle spielen und damit auch die Kleidungswahl. Eine zusätzliche Herausforderung wenn es am Start und auf den Gipfeln 5 Grad hat und in St.Leonard am Fuße des Timmelsjoch auf einmal 26 Grad herrschen. Und am Gipfel des Timmlesjoch, wie im letzten Jahr Graupelschauer runter kommen. Aber auch dafür habe ich mittlerweile einen Plan.

Die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnhame wird hoffentlich kein Problem darstellen. Bei MTB-Rennen esse und trinke ich so wie Zeit ist, da die Trails schon mal vorgeben wann gegessen weren kann. Hier sitze ich auf dem Rennrad und fahr stundenlang den Berg hoch. Da werde ich penibel auf regelmäßige Zuführung von Energie achten, sonst wird es spätestens am Timmelsjoch ein böses Erwachen geben.

Ich werde es schaffen

Wie schon erwähnt drehen sich meine Gedanken ständig um den Ötztaler Radmarathon. Die Vorfreude überwiegt sich über Alpenpässe zu quälen, zwischendurch mal die grandiose Landschaft zu genießen und dann irgendwann in Sölden über die Ziellinie zu fahren. Es mischen sich aber auch immer wieder Zweifel in die Gedanken, ob alles so funktionieren wird, wie in der Theorie durchdacht. Was mich stärkt , ist der Zuspruch von allen Seiten meiner Radsport-Bubble, die alle davon ausgehen, dass es nicht die Frage ist ob ich es schaffe, sondern nur in welcher Zeit. Vielen Dank dafür. Mein Ziel ist es unter 12 Stunden zu bleiben. Das Training der letzten Zeit hat noch ein paar Fehler aufgedeckt, aber auch gezeigt, dass der Trainingszustand durchaus passabel ist. Ich will das Finisher-Trikot und spätestens am Montag werdet Ihr mich auf meinen Kanälen darin sehen!

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