Eigentlich hat jeder von uns immer mit irgendeinem Rennen eine Rechnung offen. So ist es auch bei Axel, der allerdings eine hohe Rechnung beim Ötztaler Radmarathon offen hat. Der Saldo aus 2019 ist entstanden, als Axel bei einer der Verpflegungsstellen statt dem Isogetränk eine Portion Red Bull Energy Drink erwischt hat. Das hatte zur Folge, dass er am gefürchteten Timmelsjoch nicht nur vom Mann mit dem Hammer erwischt wurde, sondern der Schlag mit dem Hammer einen nahe zu Totalausfall der Leistungsfähigkeit forderte. Details könnt Ihr in der Ötztaler Podcast-Folge erfahren!
2019 konnte Axel den Ötztaler dennoch mit extremer Willenskraft beenden. Dieses Jahr hat das Los-Glück dafür gesorgt, dass er wieder nach Sölden gereist ist und mit guten Vorzeichen und reichlich Erfahrung die Bezwingung des Ötztaler Radmarathon erneut in Angriff nehmen konnte. Es ist Pay-Day!
Angereist war ich mit dem Ziel die offene Rechnung mit dem Timmelsjoch von meiner ersten Teilnahme 2019 zu begleichen.
…ob ich erfolgreich war… vielleicht.
Mit der Bike Transalp in den Beinen fühlte ich mich gut vorbereitet, wenn auch in den sieben Wochen nach der Transalp bis zum Ötzi das Training durch Familienurlaub und Arbeit nicht mehr ordentlich strukturiert ablief und ich den Schwerpunkt auf Regeneration gelegt habe. Um dennoch gut zu performen habe ich genau wie 2019 mit einer Rote-Beete- und Sauerkirschsaft Kur in den letzten Tagen vor dem Ötzi, noch etwas Feintuning betrieben. Frische Rote Beete im Smoothie oder in Salat mag ich bis zu einer gewissen Dosis. Aber Rote-Beete-Saft ist so ziemlich das widerlichste Getränk was ich kenne. Gemischt mit Sauerkirschsaft wird der Ekel etwas überdeckt, aber die beste Methode ist tatsächlich nicht nur Augen zu und durch, sondern auch Nase zuhalten bis der letzte Schluck runter ist.
Nach 9-Stunden Autofahrt sind T-Racer und ich am Freitag angereist. Die Unterkunft direkt in Sölden machte einen guten Eindruck. Sölden war bereits ziemlich voller Menschen und zum Essen haben wir uns nach Abholen der Startunterlagen glücklicherweise frühzeitig einen Tisch mit Ansgar und seiner Frau Carmen geangelt und mussten nicht wie viele danach Schlange stehen und auf einen Tisch warten.
Defizit in der Technik schon beim Warmfahren
Am Samstag stand eine kleine Ausfahrt nach Vent auf dem Programm. Nach der Ausfahrt stellte ich dann ein Problem an meiner Vorderbremse fest. Ich hatte die Scheibenbremse noch vor zwei Wochen entlüftet, weil kein Druckpunkt mehr vorhanden war. Hätte ich mich mal besser auf die Ursachenforschung begeben, dann hätte ich weniger nervös am nächsten Tag im Startblock gestanden. Denn dummerweise hatte ich nach der Ausfahrt nach Vent bemerkt, dass es beim Festen Ziehen des Bremshebels tropfte. Schweiß im Griffband konnte es nicht sein, also die Hoods angehoben und nochmal gedrückt. F#*k. Am Stutzen der Hydraulikleitung zum Bremsgriff trat die Hydraulikflüssigkeit beim Bremsen aus. Passendes Werkzeug war nicht zur Hand. Da es nur beim Starken Bremsen austrat und der Druckpunkt noch vorhanden war… Augen zu und durch.
Um 06:30 Uhr ging es am Sonntag dann los. Bin ich bis jetzt immer gern Berge gefahren, um die Abfahrt zu genießen, war das heute aus den genannten Umständen etwas anders. Nach jeder Abfahrt habe ich durchgeatmet und mich auf die nächste Auffahrt gefreut zumindest bis zum Timmelsjoch. Ich nehme es vorweg. Die Bremse hat gehalten. Die Abfahrten bin ich nicht mit Vollspeed gefahren und habe fast ausschließlich die Hinterradbremse genutzt. Erst in den engen Kehren am Jaufenpass musste die Vorderbremse ein paar Mal unterstützen. Auch in der Abfahrt vom Timmelsjoch war der Druckpunkt noch vorhanden und ich bin sicher ins Ziel gekommen.
Irgendwas ist immer
Doch zurück zum Start. Die Abfahrt nach Oetz lief zügig und problemlos. Immer genug Platz, keine gefährlichen Fahrmanöver der Mitradler, eigentlich entspannt. Die Auffahrt zum Kühtai war erwartungsgemäß wieder enger. Noch frisch im Kopf und in den Beinen trat ich stoisch den Berg hoch. Der Wattmesser offenbarte jedoch, dass ich oberhalb meines Wohlfühlbereich lag, weil es Steigung und Übersetzung gar nicht anders zuließen. Die Abfahrt wäre sicherlich mehr zum Genießen gewesen mit zwei einwandfreien Bremsen, aber irgendwas ist ja immer.
Am Einstieg zum Brenner wollte die Blase entleert werden. Dabei hat mich Thomas überholt. Er war in einer größeren, schnellen Gruppe unterwegs und mein Gedanke, dass ich ihn bis zum Ziel nicht wiedersehen werde, hat sich bestätigt. Es hat etwas gedauert, bis ich am Brenner Teil einer Gruppe war und Kräfte im Windschatten sparen konnte. Die Labe am Brenner hatte ich in schlechter Erinnerung. Da hatte ich mir 2019 versehentlich Energydrink in die Trinkflasche gefüllt, was mir in der Folge nicht gut bekam.
Also habe ich mir vorsorglich Energiepulver mitgenommen und an der Labe mit Wasser selbst angemischt. Der Halt dauerte dadurch etwas länger als eigentlich nötig. Bereits bei der Transalp bin ich mit Hydrogels sehr gut gefahren und hatte mir hier auch reichlich in die Trikottaschen gesteckt. Das normale Energiegel gab es allerdings auch vom selben Hersteller an den Labestationen. Darauf hätte ich sicherlich auch zurückgreifen können und auf das Zusatzgewicht von 15 Hydrogels verzichten können. Auf feste Nahrung habe ich verzichtet, bis auf ein Snickers, dass mir später am Timmelsjoch über den Berg helfen sollte.
Klamotten an, Klamotten aus, Klamotten an….
Den Jaufenpass bin ich im moderaten Bereich gefahren. Etwas weniger intensiv als 2019, um Körner für das Timmelsjoch zu sparen. Dann stand das Timmelsjoch noch an. Ich wusste was auf mich zukommt und dass ich mich in den nächsten 3 Stunden wieder fragen werde, warum ich mir diese knapp 30 km bergauf nochmal antue. Der Einstieg war noch ganz locker. Doch dieses Gefühl war schneller vorbei als gehofft. Es hat mich schon gewundert, dass ich trotz der geringeren Intensität an den vorangegangenen Bergen, dennoch ziemlich kaputt war und die Kurbelumdrehungen immer schwerer wurden. Es ist wohl doch die ungewohnte Dauer des Rennens, die den Körper fordert, egal wie gemäßigt man sich bis zum Timmelsjoch vorarbeitet. Krämpfe blieben aus und auch das Gefühl von 2019 zu schwach zu sein, um den Kopf mit Helm noch zu heben.
Im letzten Drittel des Anstiegs setzte dann leichter Niesel ein und es sah für mich so aus, dass der Regen noch stärker wird, also entschied ich mich für die Regenjacke. Nach wenigen Minuten war der Regen allerdings wieder vorbei. Mist, wieder Zeit verschenkt. Irgendwann war ich dann oben am Tunneleingang. Kurzer Blick durch den Tunnel. Total grau am anderen Ende, da muss es regnen, war mein Gedanke. Also alles Anziehen was ich dabei habe. Schließlich habe ich das ganze Zeug bis hierher geschleppt und es will dann auch angezogen werden. Also Armlinge, Knielinge, Buff, Langfingerhandschuhe und sogar noch eine Windweste über die Regenjacke angezogen, nur die Regenüberschuhe habe ich dann doch in der Tasche gelassen und ab durch den Tunnel.
Auf der anderen Seite des Tunnels dann Enttäuschung, es war zwar grau, aber ohne Regen. Also zumindest Weste wieder ausziehen. Das ging während der Fahrt, schließlich hat mich das Ankleiden schon einige Minuten gekostet. Der Rest blieb an, sommerlich warm war es ja doch nicht. Die Abfahrt lief gut, der Gegenanstieg war länger als ich es in Erinnerung hatte, aber egal, das Ziel ist nicht mehr weit also nochmal drücken. Es zieht sich. Kopf und Beine wollen auch nicht mehr, dann ist Sölden erreicht. Noch der Schwenk über die Brücke und dann Zieldurchfahrt. 10:57 Std.
Ah Mist, trotz der ca. 6 km und 300 Hm längeren Strecke im Vergleich zu 2019 war mein Ziel die Zeit von 10:45 Std. zu egalisieren, verpasst. Aber egal, darüber kann mir später Gedanken machen. Erstmal war ich glücklich gesund im Ziel angekommen zu sein. 2019 war ich einfach nur fertig und hatte den ganzen Tag danach keinen Appetit mehr vor Erschöpfung. An diesem Tag ging es mir nach dem Rennen erstaunlich gut und die Belohnungspizza war super!
Fazit
Bei gleicher Strecke hätte ich meine Zeit sicher verbessert. Hat die Rote-Beete-Sauerkirschsaft-Mischung etwas gebracht, kann ich nicht sicher feststellen. Die Wissenschaft spricht dem Ganzen positive Effekte zu und zumindest für meinen Kopf war es gut. Hätte ich noch mehr rausholen können? Auf der Strecke selbst denke ich nicht, aber in der Standzeit für die Versorgung und Kleiderwechsel sind bestimmt 10 Minuten drin. Das hängt natürlich immer von der Witterung ab. Die war an diesem Tag wie auch 2019 vergleichbar gut. Beim Vergleich der Strava-Zeiten bin ich überrascht, dass das gemäßigtere Abfahren nur wenig Zeitunterschied ausgemacht hat.
Die Rechnung mit dem Timmelsjoch sehe ich als beglichen an. Zwar hätte ich mir gewünscht entspannter und mit mehr Reserven über dieses Monstrum zu fahren, aber das wird in diesem Leben wohl in keinem Fall mehr passieren. Reizt mich eine weitere Teilnahme am Ötztaler? Mit ca. 500 Euro für Teilnahme/Übernachtung ist das Ganze nicht günstig. So ein verlängertes Wochenende in Sölden ist aber schon geil und war neben der Bike Transalp mein radsportliches Jahreshighlight. Ich glaube, ich muss da nochmal hin.
Axel