Ich liebe Dokumentationen über Sportler und Sport. Da musste ich nicht lange überlegen, als die Schicke Mütze nach Düsseldorf zur Deutschland-Premiere von „Time Trial“ einlud. Kurzer Hand traff sich unser Rad am Ring-Team dort zum gemeinsamen Kinoabend. Das kleine Kino in der Altstadt war ausverkauft, denn David Millar gab sich persönlich die Ehre. Falls Ihr unvoreingenommen und ungespoilert diesen Film schauen wollt, lest diese Kritik erst nach dem Ihr den Film geschaut habt.

Nach einer kurzen Begrüßung durch Carsten von der Schicken Mütze, wurden wir auch von David Millar begrüßt und erfuhren, dass er und die Filmgesellschaft 10 Jahren an diesem Film gearbeitet haben und er gespannt auf unsere Reaktion sei. Er kündigte an nach dem Film noch für Fragen zur Verfügung zu stehen. David Millar war einer der talentiertesten und erfolgreichsten britischen Radrennfahrern. Nach vielen erfolgreichen Teilnahmen an der Tour de France und anderen Rund- und Zeitfahrten, war er 2004 in die Doping-Affäre rund um das Team Cofidis verwickelt und gab die Einnhame von EPO zur Leistungssteigerung zu. Er wurde darauf hin bis 2006 gesperrt. Wie so oft bei Sportlern die des Dopings überführt wurden, wandte sich David nach seiner Sperrung massiv gegen Doping und schrieb die Autobiographie „Vollblutrennfahrer“, in der er sich auch mit seiner Doping-Vergangenheit auseinander setzt. 2006 kehrte er erfolgreich in den Radsport zurück.

Der Film

Um es vorweg zu nehmen: diesen Film erwartet man nicht. In den ersten Minuten begleiten wir David bei einem Zeitfahren aus der Sicht eines Kamera-Motorrads. Coole Aufnahmen, mal von hinten, mal von der Seite, rasante Aufnahmen. Es beginnt beim zuschauen in den Beinen zu kribbeln. Im nächsten Schnitt in einer Nahaufnahme sagt David, dass was uns allen schon ähnlich wiederfahren ist: „mein Traum war EINE Tour de France zu fahren, nur eine und jetzt sind es 12.“ Ein gutes Beispiel dafür, dass wir Sportler nie aufhören können, Herausforderungen anzunehmen.

Der Film ist ein Zusammenschnitt aus vielen Fahr-Szenen und Szenen aus dem alltäglichen Radfahr-Leben während der Rennen von David und seinem Team. Grundsätzlich hatte ich erwartet, dass sich die Handlung mehr um das Doping und die Rückkehr in den Radsport von David dreht. Dieses Thema wird aber nur in ganz wenigen Szenen erwähnt. In einer Sequenz wird David gefragt ob er über die Zeit des Dopings erzählen möchte und er beantwortet das ganz klar: „Ich habe doch schon 100 mal darauf geantwortet, es nervt mich……… also nein!“

Der größte Teil des Films dreht sich um die Zeit vor der Tour de France 2014, in dieser Zeit müssen die Fahrer mit den Ergebnissen der Rennen zeigen, dass sie fit genug für die Tour de France sind. Wir begleiten David in verschiedenen Rennsituationen. Das besondere daran ist, dass es nicht um die Glorifizierung des Fahrers geht, sondern hier wird ehrlich und real der Weg des Scheiterns begleitet. Das wird dem Zuschauer aber erst im Laufe des Films klar bzw. wird erst richtig klar als der Film aprupt mit einer weiteren Nahaufnahme endet, in der David unter Tränen den Satz wiederholt: „ich wollte nur eine Tour de France fahren und jetzt sind es 12…… und jetzt haben sie mich raus geschmissen!“ Ein besonderer Aspekt, den David in dem Film anspricht ist das Alter. Er stellt sich selber die Frage, die ich mir auch schon oft gestellt habe: warum sind Anderen so viel stärker oder warum bin ich so schwach? Es ist einfach das Alter, dass den Körper nicht mehr befähigt, die Leistung zu bringen die man vielleicht vor ein paar Jahren noch bringen konnte. Das wird auch David bewußt.

Was mich in Dokumentationen fasziniert, sind die Szenen die die Realität unverfälscht zeigen. Es gibt einige dieser Szenen, wenn sich David während des Rollens im Peleton mit Fahrern unterhält oder man sieht wie die Kapitäne der Mannschaften auf den ersten Kilometern einer Etappe das Feld künstlich einbremsen, um ihre Strategien durchzusetzen. Ganz besonders fand ich die Szenen, in denen David und seine Teamkollegen sehr privat gezeigt werden oder Situationen in den Rennen.

Wie schon am Anfang erwähnt erwartet man nicht diese Art des Films, aber David Millar wollte ganz bewußt die Situation des Scheiterns zeigen. Das gelingt sehr gut, allerdings finde ich, dass der Film einige Längen hat. Teilweise sind die Abschnitte in denen nur die Fahrt von David gezeigt wird zu lang. Der erste Eindruck nach dem Film war dem entsprechend ernüchternd, allerdings hat sich das am nächsten Tag mit etwas Abstand betrachtet verändert, nachdem ich den Film Revue passieren lassen habe. Ich würde jetzt sogar den Film noch einmal schauen wollen, um ihn besser zu verstehen.

David
Foto wurde von Torsten Frank zur Verfügung gestellt

David beantwortet Fragen

Mindestens genauso interessant wie der Film, waren die Antworten auf die Fragen aus dem Puplikum nach dem Film. David beantwortete diese Fragen sehr konzentriert und genau. Eine Frage war, wie wichtig das Team in den Rennen ist. Antwort von David: „If you don’t have a Team, so what’s the fucking point?“ Für ihn war das Team immer sehr wichtig und ohne das Team würde es nicht funktionieren. Das sieht man auch ganz klar im Film, als er z.B. als Team-Kapitän beim Team-Fahrzeug neue Flaschen holt um sie dann ins Peleton zu seinen Team-Kollegen zu bringen. Kurioser Weise vergißt er dabei seine eigene Flasche.

Eine Frage die ziemlich zum Schluß von einem Mitarbeiter des Kinos gestellt wurde, der mit Radsport überhaupt nicht vertraut ist, hat mich nachdenklich gestimmt. Die Frage war: „Wenn man die Tour de France ohne Doping nicht gewinnen kann, warum bereut er dann gedoped zu haben?“ Diese Frage spiegelt glaube ich die Sichtweise auf den Radsport von vielen Menschen wieder, die mit dem Radsport nicht vertraut sind. David ist darauf auch nach langen überlegen eingegangen, man konnte merken, dass er auch von dieser Frage überrascht war. Er setzt sich seit seiner Rückkehr gegen Doping ein und ist der Meinung, dass es lange dauert bis diese Einstellung aus den Köpfen der Menschen getilgt ist.

Fazit

Wie schon gesagt, mit etwas Abstand betrachtet finde ich den Film sehr gut, auch wenn er teilweise Längen hat. Ich würde ihn gerne noch einmal sehen, um den Sinn dahinter noch genauer zu verstehen. Er ist teilweise bedrückend, es gibt aber auch sehr viele Szenen zu schmunzeln. Der Film gibt einen kleinen Einblick in den Alltag während einer Tour. Von mir eine klare Guck-Empfehlung! Vielen Dank an Maren Schink und Christian Siedler, die den Film mit mir zusammen geschaut haben und meine Erinnerungslücken für diesen Bericht gefüllt haben.

 

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