12 Stunden sind geschafft! Ich weiß nicht so genau, wie es Daniel auf dem Rad ergangen ist, aber für mich sind die ersten 12 Stunden so dermaßen verflogen, dass ich gefühlt zu nichts von dem gekommen bin, was ich heute Morgen großspurig angekündigt hatte. 24h Berichterstattung klingt erst einmal langweilig, weil ja ständig nur im Kreis gefahren wird, was gibt’s da schon zu erzählen? Tatsächlich kann ich mich an keine einzige ruhige Minute erinnern. Wobei doch, an ungefähr 5, aber in denen habe ich eine Dose kalte Ravioli in mich rein geschaufelt.
Erst einmal: Liebe Liveticker-Verfolger: Es tut mir leid, aber es ist komplett unmöglich, hier ständig zu bloggen. Auch für kurze Updates müsste ich zum Laptop in den Media Raum und das ist absolut nicht ständig machbar, weil das Renngeschehen uns ziemlich gut auf Trab hält. Wenn ihr halbwegs zeitnahe Infos wollt, schaut bitte auf Twitter vorbei, den Kanal bespiele ich am häufigsten. Hier findet ihr dann alle paar Stunden einen Überblick zum Geschehen.
Deshalb machen wir jetzt auch da weiter, wo wir heute Mittag aufgehört haben (ist das echt schon 6 Stunden her?!). Daniel hatte sich für die Zwischenstände interessiert, die wir ihm leider noch nicht liefern konnten. Im Media Raum saß ich beim Hochladen der Ergebnisse daneben, konnte aber auch nichts beschleunigen und auch nicht wirklich spionieren. Endlich gabs einen Link, der war dann falsch, die PDFs ließen sich nicht öffnen … eine gefühlte Ewigkeit und einen verzweifelten Alberto später haben wir erfahren, dass Daniel auf Platz 5 seiner Altersklasse liegt. Gesamt: keine Ahnung.
Nach zwei unfreiwilligen Pausen wegen der Sattelstütze bleibt Daniel heute Nachmittag von technischen Problemen leider nicht verschont. Ausgerechnet in dem Moment, als Ansgar mit seinem Mediapass selbst auf der Strecke unterwegs ist, kommt Daniel mit Problemen an der Schaltung zum Camp – ohne Mechaniker nix zu machen, also ab auf eine weitere Runde unter erschwerten Bedingungen. Dass Ansgar genau 10 Sekunden später am Camp auftaucht, ist einfach verdammtes Pech. In der nächsten Runde dann eine kurze Pause zur Reparatur. Wenige Minuten später der Anruf von Jenni, die Daniel etwas später auf der Strecke gesehen hat: Da stimmt immer noch etwas nicht, Ansgar soll sich bereit halten.
Parallel rotieren Johannes und Christina, weil sie das Abendessen vorbereiten müssen und die Waage nicht funktioniert. 90 Gramm Quinoa wollen gekocht werden, auch mit neuer Batterie streikt die Waage. Weil die Zeit langsam knapp wird, düst Johannes mit Quinoa unterm Arm auf dem Klapprad zum nächstbesten Restaurant, um in der Küche nach einer Waage zu fragen – nur um kurz darauf von Christina zurück geholt zu werden, weil unsere Waage sich wieder berappelt hat. Allerdings nur kurzfristig, als die beiden wieder am Camp sind, funktioniert gar nichts mehr. Wir beschließen, 90 Gramm pi mal Daumen abzuschätzen und Daniel die kaputte Waage erst mal zu verheimlichen. Dass er bei der Pause sowieso nichts davon essen würde, können wir da noch nicht ahnen.
Eigentlich ist die Pause für eine Runde später angesetzt, aber weil die Schaltung immer noch Faxen macht, stellen wir ihn vor die Wahl: Entweder Ersatzrad oder jetzt lange Pause inklusive Essen und Reparatur. Daniel würde am liebsten sofort das funktionierende Lux bekommen und will auf keinen Fall das Grand Canyon, aber da Ansgar zwar vieles, aber auch nicht zaubern kann, ziehen wir die Essenspause vor. Statt Quinoa stopft er immerhin Datteln und Wassermelone in sich hinein, während Ansgar feststellt, dass das komplette Hinterrad gewechselt werden muss. Ein Zahn am größten Ritzel hat sich verbogen und sorgt für den Ärger.
Bei der Gelegenheit montiert er auch gleich die Lampen, Daniel wechselt den Helm (ebenfalls mit Lampe) und die Handschuhe. Von Christina gibt’s noch eine Ansage dazu, dass er nicht ständig volle Flaschen zurückgeben soll, weil das Verpflegungskonzept sonst nicht aufgeht. Da können wir rechnen, so viel wir wollen, wenn er nicht genug isst und trinkt, wird’s kompliziert. Er kündigt noch an, wie er die nächsten Pausen plant und wünscht sich, dass heute Nacht jemand zu einem richtig gemeinen steinigen Anstieg kommt, um ihm ein Lied zu singen. Nach knapp 20 Minuten schicken wir ihn wieder auf die Strecke.
Johannes und ich nutzen das Tageslicht, um den fiesen Berg zu finden. Obwohl wir Ansgars Garmin dabei haben, ist es komplett unmöglich, einen Weg zu finden, der nicht über die Rennstrecke führt, die an den meisten Stellen in dem Bereich als Singletrail angelegt ist. Wie zwei komplette Idioten klettern wir mit Sneakers (Maren) und Badelatschen (Johannes) steinige Wege rauf und schlagen uns quer durchs Gebüsch – so quer, dass wir an einer Stelle davon überzeugt sind, dass noch nie ein Mensch zuvor dort gewesen sein kann und dass wir weder vor noch zurück können. Weil wir die Gegend aber auch nicht neu besiedeln wollen, müssen wir irgendwie zurück. Mit komplett zerkratzten Armen und Beinen beschließen wir, dass der Weg über die Strecke wohl doch die beste Option ist.
Einer geht vor, hält Augen und Ohren offen und beim Kommando „Busch!“ springen wir beide wieder irgendwo ins Gehölz, um den Weg frei zu machen. Meine Taktik, damit die Fahrer uns nicht ganz so nervig finden: einfach anfeuern. So tun, als wären wir extra an genau dieser Stelle. Der Plan geht auf, irgendwann haben wir die lange Abfahrt entgegen der Fahrtrichtung erklommen und stehen oben auf dem Berg. Die Sicht aufs Meer ist atemberaubend – der Aufstieg aber vermutlich auch. Wir müssen auf der anderen Seite wieder runter – dort, wo die Fahrer hoch müssen und dort wo Daniel sich unseren Gesang wünscht (er weiß überhaupt rein gar nicht, was er sich damit antut). Wir wandern also wieder runter und haben jetzt in Sachen Anfeuern wirklich was zu tun: Der Anstieg hat es übelst in sich. Mir ist vollkommen schleierhaft, wie man über so bescheuerte Steine radeln kann – und dann auch noch bergauf.
Johannes macht sich bei den Athleten beliebt: „You are great! Keep on smiling! It’s a funny day!“ Ich möchte ihn stellvertretend für alle an uns vorbei kurbelnden und schiebenden Radfahrer erschlagen, beschränke mich aber darauf, mit der Hamburger Klatschehand zu lärmen und das Garmin im Auge zu behalten. Schließlich kommt Daniel an uns vorbei. Nachdem wir uns zwei Stunden lang bergab und bergauf durchs Dickicht gekämpft haben, sollte er eigentlich uns applaudieren, dass wir endlich diese ätzende Stelle gefunden haben – aber nö. Stattdessen ruft er uns vollkommen fokussiert zu, dass wir Ansgar informieren sollen, dass er aufs 30er Kettenblatt wechseln möchte und einen neuen Akku für den Leistungsmesser braucht.
Ja klar! Wir sind hier irgendwo komplett in der Wallachei, fernab der Zivilisation, warte, ich schicke ihm eben ne Brieftaube! Wahrscheinlich ist Daniel mit dem Rad 3x schneller zurück beim Camp als wir. Die ersten beiden Anrufe landen auf der Mailbox, der dritte besteht aus aneinandergereihten Funklöchern und beim vierten Versuch können wir endlich miteinander sprechen. Ansgar kann sich bereit machen, während Johannes und ich uns zurück unter Menschen begeben und unsere Wunden lecken („Hey, ich blute nur an zwei Stellen!“).
Zurück im Media Raum will ich „mal eben schnell“ die Updates der letzten Stunden posten, aber komme mit dem Beantworten der Tweets schon kaum hinterher. Das wäre alles so viel einfacher, wenn man mal zwischendurch Netz hätte! Schön zu sehen, wie viele zuhause mitfiebern. Und schön, dass es vor allem das Coffee & Chainrings Team ist, was mir hier zwischen all der Hektik ein Lächeln ins Gesicht zaubert: Viele Grüße an Markus und Tim, ihr seid die Besten und ich bin nicht LOST!
Jetzt aber wieder seriös: Mittlerweile sind mehr als 12 Rennstunden vergangen und es gibt die nächste Zwischenwertung, dieses Mal online auch mit interessanten Rundenzeiten: Daniel ist immer noch auf Platz 5 in seiner Altersklasse und fest entschlossen, den Platz über die Nacht zu verteidigen. Wir helfen ihm dabei, so gut wir können!