21. Mai 2018 – Wenn ich geglaubt hatte knapp 1.000 Höhenmeter auf 57 Kilometern wären viel, dann wurde ich heute eines besseren belehrt! Im dreier Team geht es um kurz nach 11 Uhr in einer leicht anderen Zusammensetzung wieder auf die Straße. Daniel, ein Freund von Maren kommt uns aus Freiburg besuchen und wir planen 87 Kilometer mit etwa 2.000 Höhenmetern.
Anders als gestern geht es für uns direkt bergauf. Und OH MEIN GOTT ich spüre meine Beine vom ersten Kurbelanschlag an. Die Oberschenkel wären lieber eingewickelt in einer warmen Decke auf der Couch geblieben und meine Knie zwicken als hätte jemand Reißnägel reingehauen. Na gut … letzteres ist dezent übertrieben aber vielleicht verdeutlicht es meine Gefühle gegenüber dieser Steigung. Außerdem fahre ich heute das erste mal getaped. Markus hat mich und meine Knie mit hübschem blauen Klebeband versorgt, damit ich ohne Schmerzen die Berge rauf komme. Hat wohl nicht geklappt.
Falsch gefahren? Ne einfach zu langsam!
Die ersten zwei Kilometer halte ich noch ganz gut mit, doch dann falle ich raus. Nicht langsam, nein, das wäre ja schön, sondern einfach so. Zack sind die anderen 300 Meter weiter und ich komme gefühlt nicht vom Fleck. Das ganze geht sogar so weit, dass ich irgendwann glaube falsch gefahren zu sein, weil ich weder Maren noch Daniel irgendwo erahnen kann. “Egal” denk ich mir. Dann fahr ich halt mein eigenes Ding heute. Bergauf geht es sowieso und Höhenmeter sammle ich so auch. Zur Not hab ich mein Handy und mein Garmin Edge für die Navigation dabei. Nach Hause kommt man immer irgendwie.
Aber die beiden Gipfelstürmer warten an einer Haltebucht im Anstieg auf mich. Maren hatte schon damit gerechnet, dass ich umgedreht und zurück gefahren sei. Soviel Vertrauen. …
Gemeinsam geht es dann weiter bergauf. Und auch diesmal falle ich raus. Erst nach einem kurzen Zwischenstopp am Lac Blanc, dem “weißen See”, erbarmt sich Daniel und fährt mit mir bergauf. Maren macht zwischendurch einen Fotostop, sodass wir tatsächlich vor ihr am Gipfelzeichen ankommen, das allerdings auch knapp 30 Meter vor dem eigentlichen Hochpunkt steht. Das haben die in Spanien irgendwie besser gelöst. Da stehen die Teile wenigstens ganz oben. ;)
Nach unserem obligatorischen Gipfelfoto geht es gleich weiter. Und zwar nicht bergab, sondern straight wellig. Wir fahren auf dem Bergkamm in Richtung des legendären Col de la Schlucht. Diesmal halte ich gut mit. Zwischendurch etwas gebremst von krassen Rampen mit gefühlt 20 % Steigung. Aber wir kommen gut voran. Lag der Schnitt bis zum ersten Gipfel bei etwa 12 km/h zeigt der Tacho jetzt immer öfter 30 + an. Ein schönes Gefühl! Doch die Rampen werden wieder mehr. Die Steigung hört und hört nicht auf. Denn es geht immer weiter bergauf.
Schnell, schneller, Rampe, langsam
Nach dem Schluchtenberg schleicht zu unserer linken eine krasse Steigung ins Blickfeld. Dort geht es zu einer Hütte, die Markus uns aufgrund ihres wunderbaren Blicks empfohlen hat. Also nicht lange überlegt und Blinker links. Die Straße ist der Hammer. In kurzer Zeit steigen wir gefühlt 500 Meter höher und meine Oberschenkel und die Knie schmerzen. Ich komme natürlich als letzter oben an und werde von grinsenden Mitfahrern empfangen. Wo war nochmal der Typ, der in Mallorca immer als erster oben war? Die 57 Kilometer von gestern melden sich. Wir entschließen uns für eine Pause mit Ausblick und beglückwünschen uns dafür, dass wir so bescheuert sind und diese Höhe mit dem Rad bezwungen haben. Ein vorbeigehender Motoradfahrer stimmt ein und zollt uns seinen Respekt. Er könne das nicht, sagt er und findet, dass wir da durchaus stolz auf uns sein können. Schweizer Diplomatie ;)
Wir legen unserer Räder aufs Gras und lassen uns direkt daneben fallen. Riegel raus, Trinkflasche angesetzt und den Blick schweifen lassen. Die Schneefelder, die uns ins Auge springen sind bei den 20 °C ziemlich surreal aber zeigt, dass wir anscheinend tatsächlich in den Bergen unterwegs sind.
Kurze Pause und weiter gehts
Nach etwa 15 Minuten Pause gehts wieder aufs Rad das steile Stück wieder bergab und weiter … na wer ahnt es? Bergauf natürlich! Nach kurzer Pipi- und Trinkflaschenauffüllpause (nein nicht 1:1 :-P ) stürzen wir uns in einen wilden Mix aus Abfahrt, Steigung und Abfahrt. Das Wetter, später noch ein wichtiger Faktor unserer Tour ist perfekt. Hier oben ist es nicht zu kalt und nicht zu warm. Nachdem wir den höchsten Punkt des Col du Breitfirst passiert haben geht es bevor wir uns todesmutig in den Weg runter stürzen erst in eine kurze Abfahrt, dann bergab, dann wieder bergauf und dann erst richtig bergab. Es ist eine Freude :D
Unten angekommen suchen wir den Radweg Richtung Munster und passieren einen kleinen Markt. Leider sorgt der dafür, dass auf einmal alles voller Menschen und Autos ist. Über die Hauptstraße gelangen wir aus dem Ort heraus und an den Fuß des Col de Linge. Der Berg, der uns gestern gefordert hat. Als Teil der Route gehört er natürlich standesgemäß abgefahren, bevor es zum Schluss nur noch bergab Richtung heiße Dusche geht.
Col de Linge – Soloaufstieg mit Soundtrack
Hier wiederholt sich das gleiche Spiel, wie schon am ersten Anstieg des heutigen Tages. Maren und Daniel ziehen davon und ich rumpel alleine den Berg hinauf. Irgendwann ist die Motivation so im Keller, dass ich mein Handy heraushole meine “Ready to Race” Playlist starte und mich aus meiner Trikottasche mit motivierender Musik beschallen lasse. Die neben der Straße stehenden Kühe gucken ziemlich überrascht, als ich an ihnen vorbei ziehe. Aber was solls.
An einem Rastplatz oberhalb des Plateaus, das Maren und ich gestern für den Gipfel hielten, warten Maren und Daniel auf mich. Ich wunder mich, weil ich ihre Räder nicht sehe. Erst als ich anhalte merke ich, dass es gar nicht mal so leise donnert und die zwei ihre Bikes in etwas Sicherheitsabstand geparkt haben. Geil! Gewitter in den Bergen. Unterstand? Fehlanzeige! Also Zwangspause am Steintisch und auskühlen für Fortgeschrittene. Noch ahnen wir nicht, dass es gleich noch kälter werden wird.
Wir überlegen, ob wir weiterfahren oder die anderen anrufen und uns abholen lassen. Aber selbst mit Regen, der gerade noch nicht fällt, wollen wir weiter fahren. Wir sind ja nicht aus Zucker. Der Regenradar sieht gut aus, alles soll um uns herum ziehen. Wir steigen wieder aufs Rad und los. Zwischendurch fängt es dann doch an zu regnen. Und kurz vor dem Gipfel, ausgerechnet an einem deutschen Soldatenfriedhof geht die Welt unter. Das Gewitter hat es sich direkt über uns gemütlich gemacht und es prasselt, hagelt und windet uns ordentlich auf den Kopf und um die Ohren. Die Temperatur bewegt sich mit knapp 6 °C knapp 20 °C tiefer als noch vor 10 Minuten. Macht echt Spaß.
Zuerst suchen wir Schutz an einem kleinem Vordach des Gärtnerhäußchens, das leider verschlossen ist. Als das nicht mehr reicht und Hagel und Regen noch stärker werden ziehen wir unter die Bäume um. Bei Gewitter sicher nicht die beste Idee, aber was solls. Hier stehen genug davon herum. Und schließlich stehen die Räder ja auch etwa 20 Meter weit entfernt. Da die Straße mittlerweile vor Hagel kaum noch zu sehen ist, entschließen wir uns die Abfahrt zu ignorieren und die Tour hier zu beenden. Glücklicherweise erreichen wir Markus und können ihn für die Idee gewinnen uns auf dem Berg einzusammeln. Er kommt dann auch nach etwas mehr als 25 Minuten bei uns an und kann uns völlig durchnässt und durchgefroren in Eisblockform bequem ins Auto laden.
Trainingstagebuch – Morgen: RUHETAG
Zuhause angekommen stellt sich Maren unter die Dusche und ich setz mich mit Radhose direkt in die Heiße Wanne, die die Daheimgebliebenen für uns eingelassen haben. Klar wären wir die Abfahrt gerne gefahren, aber unter den Voraussetzungen bin ich wirklich froh, dass wir eine Crew im Rücken hatten, die uns aus dem Schlamassel heraus geholt hat. Die Alternative wäre wohl ein Fußmarsch gewesen, denn an Radfahren war wirklich nicht mehr zu denken.
Morgen dann Ruhetag und einfach mal Nichts tun :)
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Hammer ich bin am Col de la Schlucht oft zum Wandern und Campen unterwegs. Mit dem Rad? Irre. Ja und die Schneefelder am Hoheneck hat man auch im Juni noch.
Mörderische Strecke, da ist dabei sein alles. Hartes Team. Glückwunsch.
Nimm Dir viel Munster Käse mit, der hilft.
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