Anreise – Berge, Zweifel und ein leiser Wunsch
Donnerstag, 04:00 Uhr – der Wecker klingelt früh – die Vorfreude auf einen Kurzurlaub in den Bergen ist bei mir groß. Marc und ich starten Richtung Bad Goisern. Die Straßen leer, der Himmel noch dunkel. Und dann irgendwann: Berge. Wie gemalt. Der Moment, wenn sich die Sonnenstrahlen durch die Gipfel schieben, macht etwas mit dir. In unserer WG angekommen – T‑Racer, Imke, Donato – liegt Spannung in der Luft. Die Art, die man spürt, ohne dass jemand etwas sagt. Alle im Rennmodus. Ich? Eher auf dem Weg zu: Ich fahr da gar nicht mit. Kein Ziel, keine Motivation, kein Start– dachte ich. Nini, meine „geplante Mitfahrerin“, hatte gekniffen. (Wer meine Blogbeiträge liest, weiß was ich meine :-)
Von unsere Unterkunft aus sehen wir die „Ewige Wand“ – schnell werde ich aufgeklärt: „Da oben ist der Ausblick unbeschreiblich. Das ist der Spot auf den Plakaten.“ Ich finde die Vorstellung, dort oben zu sein, schon interessant – der Gedanke des Starten-Wollens ist somit wohl gesät.
Abendessen & die große Überraschung
Teamessen im Restaurant: Alles wirkt wie immer, ankommen, rein gehen – und plötzlich sitzen Mira und Lukas am Tisch! Unsere Tochter und ihr Freund – extra angereist, um das Team zu betreuen. Marc und ich hatten keine Ahnung, alle anderen schon. Ehrlicher Rührungsschock – pure Freude und Gänsehaut, Tränen in den Augen, Sprachlosigkeit, dann nur noch Lächeln. Solche Überraschungen erlebt man selten. Aber sie bleiben für immer.
Auf dem Rückweg wieder das Thema „die Ewige Wand“ – jetzt sogar beleuchtet. Es wächst in mir!
Freitag – Akkreditierung und kurzes Anschwitzen im Team
Die Gedanken kreisen – ein inneres Ringen. Ich bin nicht angemeldet. Ich bin nicht bereit. Selbst die G‑Strecke scheint zu groß. Ich will. Ich will nicht. Ich bin hin- und hergerissen.
Am Mittag holen wir in der Festhalle die Startnummern für die anderen Fahrer ab. Und dann sehe ich es: Das Plakat. Die Ewige Wand. Groß. Erhaben. Magisch. Ich bleibe stehen. Mein Blick hängt daran fest. Dieser eine Moment entscheidet alles. Da will ich hin!!!!!! Imke hatte mir kurz zuvor noch Mut gemacht: „Wenn du schon mal hier bist… fahr einfach irgendwas.“ Vielen Dank auch an Imke :-)
Ich gehe zur Nachmeldung. Immer noch zögernd, aber bestimmt. „Welche Strecke führt zur Ewigen Wand und startet hier in Bad Goisern?“ – „F-Strecke. 37 Kilometer. 1.044 Höhenmeter“, sagt die Frau am Schalter mit einem Lächeln. Ich nicke. Jetzt ist klar: Ich fahre.
Samstag – Früh, magisch und voller Einsatz
03:00 Uhr. Wieder einmal klingelt der Wecker unmenschlich früh. Wir bringen die A‑Streckenfahrer zum Start. Es ist noch dunkel, die Stirnlampen leuchten wie Glühwürmchen in der Nacht. Die Luft ist kühl, feucht – und voller Anspannung. Die Stimmung wirkt elektrisch aufgeladen, fast feierlich. Man spricht wenig, jeder ist bei sich. Die Fahrer stehen konzentriert und fokussiert in ihren Startblöcken. Ich spüre den Respekt vor dem, was vor ihnen liegt – 211 Kilometer, über 7.000 Höhenmeter.
Ich beobachte still. Und bin beeindruckt. Von der Atmosphäre. Von der Entschlossenheit. Von Nini, die wie immer vollkommen in ihrem Element ist – filmt, dokumentiert, organisiert. Sie hält alles fest, was sonst verloren ginge.
Dann der Countdown. Musik. Ein letztes tiefes Atmen. Und los geht’s – für über 500 Starter. Sie verschwinden in der Dämmerung…
Wir Mädels springen ins Auto, machen uns auf zur ersten Verpflegungsstation. Beachflag des Vereins aufstellen, Trinkflaschen bereitstellen, Gels sortieren – alles muss sitzen, wenn die Jungs durchkommen. Jeder Handgriff zählt. Zwei weitere Punkte übernehmen Mira und Lukas. Auch sie sind bereit, voller Fokus – wie ein eingespieltes Betreuerteam.
Dann geht’s für uns zurück zur Unterkunft. Ich gehe zur WG zurück zu Donato. Mentale Unterstützung, letzte Worte, ein ruhiger Moment. Auch für ihn wird es ernst. Wir bringen ihn zum Start – und auch in seinem Gesicht liegt sie: diese Mischung aus Nervosität, Vorfreude und purer Anspannung.
Startklar um 11:50 Uhr – Zwischen Kuchen, Ruhe und Kribbeln
Nachdem wir Donato auf den Weg geschickt haben, kehren wir zurück zum Marktplatz. Kaffee, ein Stück Mozarttorte – Nervennahrung und Seelentröster in einem. Herzlichen Dnak an Nini :-) Danach geht’s für mich erstmal zurück zur Unterkunft. Zeit für mich. Durchatmen. Runterkommen. Vielleicht sogar kurz die Augen schließen. Der Tag ist lang, die Eindrücke intensiv – ich brauche diesen Moment der Stille.
Dann der Blick auf die Uhr. 11:00 Uhr. Es wird ernst. Ich beginne mich umzuziehen. Schritt für Schritt. NIchts vergessen, auch ungewohnt Niemanden bei mir zu haben, der mich notfalls erinnert. Startnummer befestigen, Schuhe schnüren, Helm schließen. Nochmal tief atmen. Das Kribbeln kommt jetzt mit voller Wucht. Kein optimaler Trainingszustand. Sieben Kilo zu viel. Zweifel? Natürlich. Aber sie treten in den Hintergrund. Denn was zählt ist: Ich bin hier.
Marc und ich hatten die Strecke grob analysiert – Zielzeit: 3:30. Ich rief Nini und Dini noch zu, dass es auch 4 h werden könnten – der Moderator sprach von steil, technisch, fordernd. Ich dachte nur: Ankommen. Alles andere egal.
Rennen: Flow, Sturz & Triumph
Der Start: direkt hoch. Ich wurde überholt – wie immer. Aber sobald es technisch wurde, war ich in meinem Element. Ich fühlte mich sicher, schnell, fokussiert. Bis… nasse Steine – ein Fahrer bremst abrupt, ich reagiere unzureichend – Rutsch, Sturz – blutiger Ellenbogen, Knie. Aufstehen, weiter.
Dann: die Ewige Wand.
Ich hatte das Pipi in den Augen, ganz ehrlich. Ich jubelte durch die ganze Passage. So viele Zweifel, und jetzt war ich da. Genau da, wo ich sein wollte. Und ich fuhr. Und fuhr.

Ziel nach 2:51 h – Glücksmoment
Nach 2:51 Stunden war ich im Ziel. Glücklich. Angestrengt. Erleichtert. Es war eines meiner schönsten Rennen ever. Die Höhenmeter vergingen schneller als gedacht. Ich fuhr bewusst so, dass ich ankomme – nicht all-out, aber mutig. Und hätte ich etwas mehr riskiert? Ja, wäre auch noch schneller gegangen. Aber darum ging es nicht. Es ging um diesen einen Moment: Ich habe es gemacht.

Kein Weg durch die Hölle – sondern weiter zu mir selbst
Alle reden von „durch die Hölle und zurück“. Vielleicht. Aber für mich war es eher: ein weiterer Schritt auf dem Weg zu mir selbst zurück. Zu dem Teil, der sich etwas zutraut. Der mitfährt. Der eine Wand sieht und denkt: Da will ich rauf. Und der einfach losfährt. Ob nächstes Jahr die A‑ oder B‑Strecke? Wer weiß.
Was bleibt, ist die Gänsehaut. Vor allem beim Gedanken an die große Party im Ziel, als der letzte Fahrer einlief – begrüßt vom Teufel persönlich. Und wir standen da – kannten ihn zufällig – und waren Teil dieses Moments.
Dieser Rennbericht erzählt kein Märchen: Er zeigt, was möglich ist, wenn du aufhörst, dich selbst zu bremsen. Die Berge, die Stimmung, die Trails – all das war größer als meine Zweifel. Vielleicht ist das Beste an der Trophy nicht die Strecke, sondern das Gefühl: Ich habe mich getraut – und bin belohnt worden.