Das Swiss Epic ist wie alle Rennen der Epic Serie ein Zweierteam-Rennen. Mein Schwager Klaus hatte gleich Interesse bekundet und somit war das wichtigste Thema schnell geklärt, ich hatte einen Teampartner.

Bei der Epic-Serie müssen die Teamfahrer immer innerhalb von 2 Minuten bleiben, sodass es natürlich wichtig ist, dass beide in etwa auf ähnlichem Leistungsniveau sind. Da wir 750 km auseinander wohnen, war ein gemeinsames Training vorab leider nicht möglich. Ich wusste, dass Klaus sehr fit und vor allem technisch bergauf sowie bergab herausragend ist. Meine Hoffnung war, dass ich zumindest bergauf mithalten kann, da mir meine Abfahrtsschwäche durchaus bewusst ist.

Das SwissEpic geht über 5 Tage mit 307 km und 9.450 Höhenmeter. Hört sich von den Daten her erstmal entspannt an. Ich war sehr gespannt, wie hart es tatsächlich sein würde. Der Veranstalter bietet den Startplatz auch als Paket inkl. Hotelübernachtungen an. Wir haben als Team das Paket im EarlyBird Tarif für 3.950 CHF, was in etwa 4.200 Euro entspricht, gebucht. Hier waren 5 Nächte in jeweils tollen 4 Sterne Hotels, sowie sämtliche Shuttles, Essen, etc. inkludiert. Nach jeder Etappe wurden die Bikes gewaschen und es gab immer eine tolle Zielverpflegung mit kostenfreien Getränken und warmem Essen. Der Preis ist sicherlich sportlich, aber nach unserem Empfinden war das Preis-Leistungsverhältnis absolut in Ordnung. Das Teilnehmerfeld war in diesem Jahr mit 300 Teams und Fahrer aus 43 verschiedenen Nationen gut besetzt.

Für die Saison 2025 hatte ich zwei Highlights: das Swiss Epic sowie die Salzkammerguttrophy. Zwischen diesen beiden Rennen waren gerade einmal gute 4 Wochen. Eigentlich zu wenig, um sich von der A-Strecke der Salzkammerguttrophy mit einer Rennzeit von mehr als 16 Stunden vollständig zu regenerieren. Leider hat mich nach der Trophy auch noch eine Erkältung erwischt, welche mich mehr als zwei Wochen trainingstechnisch außer Gefecht gesetzt hat. Daher konnte ich vor der Swiss Epic nur einige kleinere Einheiten fahren. Somit war klar, dass ich nicht 100% fit an der Startlinie stehe und meine Moral wieder einmal alle andere Defizite wett machen musste.

Anmerkung der Redaktion: Matthias war zum Zeitpunkt der Swiss Epic ganz frisch im Verein und es gab keine kurzfristige Möglichkeit, ihn einzukleiden – er fährt darum in vereinsfremden Farben.

Endlich ging es los und wir standen an der Startlinie in Block I. Vor dem Rennen musste jedes Team die voraussichtliche Durchschnittsgeschwindigkeit für die 1. Etappe angeben, um die Startblöcke entsprechend festzulegen. Wir hatten 12-13 km/h angegeben, was sich im Nachhinein als realistische Einschätzung gezeigt hat. Am ersten Tag standen 78 km mit 2.400 Höhenmeter auf dem Programm von Davos nach La Plunt. Dies war die diesjährige Königsetappe – schon an Tag eins. Im Startblock war die Nervosität von allen zu spüren. Wir waren hier keine Ausnahme, auch uns war die Anspannung anzumerken. Dann der Startschuss und alle schossen los. Die ersten 4km waren nur ganz leicht ansteigend und das Tempo extrem hoch. Dieses hohe Tempo hat zu Beginn des ersten Berges nicht nachgelassen, sodass wir uns angeschaut und unser Tempo deutlich reduziert haben. Dies war die richtige Entscheidung, da wir auf den nächsten 25 km wieder einige Teams überholen konnten. Die Strecke war landschaftlich ein Traum und es waren viele tolle Trails dabei. Ein Highlight war das Wiesner Viadukt, bevor es dann den langen Anstieg zum Albulapass hochging. Dies war der einzige sehr lange Anstieg des ganzen Rennens auf einer Teerstrasse. Für mich war die erste Hälfte der Strecke schon sehr fordernd, sodass ich mich den Albulapass hochquälte. Klaus meinte zwischendurch, nur noch gute 700 Höhenmeter, das ist noch eine lockere Mittwochsrunde. Das will man hören, wenn man selbst schon lange am Limit fährt und der Teampartner voller Euphorie lockere Sprüche raushaut. Egal, jammern war keine Option und irgendwann kommt der höchste Punkt. Endlich oben angekommen, wurden wir von den Alphornbläsern, die immer am höchsten Punkt jeder Etappe stehen, begrüßt und nach der letzen Verpflegung ging es in den langen wunderschönen Albulatrail. Unten angekommen, wartete noch ein ca. 7 km meist flacher Abschnitt ins Ziel. Klaus fuhr vorne im Wind und ich kämpfte mit rund 280 Watt, um ihm im Windschatten zu folgen. Folglich kam die Ziellinie schnell immer näher und nach 6:08 Stunden waren wir glücklich im Ziel. Mein Fazit des Tages: Schon an Tag eins komplett am Limit ist leider nicht optimal, hoffe auf eine schnell und gute Regeneration.

Die 2. Etappe war 61 km lang mit 1.950 Höhenmeter. Start und Ziel war jeweils in La Plunt. Ab der zweiten Etappe werden die Startblöcke nach dem Gesamtergebnis festgelegt. Als der Startschuss fiel, hetzten wieder alle Fahrer los, als wäre alles in 60 Minuten erledigt. Ich fühlte mich etwas besser als am ersten Tag, sodass wir einfach mal mitfuhren. Nach 9 km kam der längste Anstieg des Tages mit ca. 800 Höhenmetern am Stück. Wie immer sortierte sich das Feld sukzessive am Berg. Langsam lernten wir auch unsere unmittelbaren Mitstreiter kennen, da auch viel gelacht wurde. Nach einer kurzen Abfahrt ging es dann hoch zum höchsten Punkt des Tages zum Lej Aiv auf 2.545 Höhenmeter. Ich musste wieder einmal feststellen, dass bergauf fahren in der Höhe für mich nochmals anstrengender ist. Im Anschluss wartete für mich einer des besten Trails des gesamten Rennens, der Olympia Flow Trail nach St. Moritz. Hier verbinden sich Flow und Abfahrtsspass und gefühlt dauert der Spaß ewig. Unterwegs eröffnen sich fantastische Ausblicke auf die umliegenden Berge samt Gletscher. Aber es wird Rennen gefahren und so konnte ich nur zwischendurch mal den Ausblick genießen. Da wir in der ersten Hälfte der Etappe bereits 80% der Höhenmeter gemacht haben, wurde der zweite Teil wieder richtig schnell. Wir haben uns dann zunächst als 6er Gruppe, dann als 4er Gruppe gefunden und sind im Windschatten wieder richtig schnell Richtung Ziel gefahren. Nach 4:54 Stunden überquerten wir freudestrahlend die Ziellinie. Mein Fazit des Tages: Ich hatte mich heute deutlich besser gefühlt und meine anfänglichen Abfahrtsdefizite wurden deutlich kleiner.

An Tag 3 wartete etwas ganz Besonderes auf uns: Ein Teamzeitfahren mit Start oben auf dem Berninapass auf 2.305 Höhenmeter. Das Ziel war wieder in La Plunt. Die Strecke war 55 km lang, mit 1.200 Höhenmetern bergauf und 1.800 Höhenmetern bergab. Augenscheinlich die leichteste Etappe. Gestartet wurde nach dem Gesamtklassement, die Profis früh morgens und im Anschluss jedes Team nach und nach. Im hinteren Feld wurde dann alle 20 Sekunden gestartet. Zunächst mussten wir aber erstmal zum Beninapass hoch kommen. Hierfür wurden Shuttles zur Verfügung gestellt. Die Bikes wurden durch den Veranstalter bereits am Vorabend hochgebracht. Oben hat uns ein atemberaubendes Panorama bei traumhaft schönem Wetter erwartet. Dies war wahrscheinlich nicht nur für uns, sondern für die meisten Starter der wohl schönste Start eines Rennens. Der Start erfolgte von der Startrampe und wir schossen wie alle Teams mit Vollgas los. Das Team vor uns verpasste schon nach wenigen hundert Metern eine Abzweigung und schon hatten wir dieses Team überholt. Bevor es immer leicht bergab ging, fuhren wir um einen türkisblauen Bergsee. Sobald wir ein Team überholt hatten, sahen wir das nächste vor uns und voller Motivation wollten wir auch dieses überholen. Klaus hat vorne das Tempo permanent hoch gehalten und ich versuchte von Anfang an irgendwie immer dran zu bleiben. Nach der ersten Stunde waren gerade mal 200 Höhenmeter auf dem Tacho, ich fühlte mich aber schon wie nach 2.000 Höhenmeter. Aber nachlassen ging nicht, auch wenn die weiteren Höhenmeter richtig zäh waren. Wir haben Team für Team eingeholt und haben es geschafft, dass wir von keinem selbst überholt wurden. Das setzte immer wieder Energie frei. Nach 3:08 Stunden kam endlich das Ziel. Mein Fazit des Tages: Dies war unsere beste Etappe, aber auch eine augenscheinlich einfache Etappe kann sehr hart werden.

Auf der 4. Etappe ging es wieder von La Plunt nach Davos zurück. Aufgrund der Wettervorhersage wurde die Etappe etwas gekürzt und war schlussendlich 52 km lang mit 1.700 Höhenmetern. Es wartete auch der höchste Punkt des Rennens bei 2.606 m Höhe auf dem Scalettapass. Auf dem Weg zum Scalettapass wurde leider das Wetter schon immer schlechter und es regnete. Nach gut der Hälfte des Anstieges wurde das Rennen aufgrund des schlechten Wetters unterbrochen und alle Fahrer wurden in einen dunklen Kuhstall beordert. Wir warteten mit ca. 250 anderen Fahrern. Da die Verpflegung in der Nähe war, wurden Essen und Getränke verteilt, aber es war sehr kalt, da fast alle Fahrer die letzten Kilometer bereits im Regen gefahren sind. Die Veranstalter haben auch Rettungsdecken verteilt, damit jeder sich irgendwie etwas warm halten konnte, was nicht jedem geglückt ist. Nach knapp einer Stunde hat der Veranstalter das Rennen wieder freigegeben und alle starten gleichzeitig. Da der restliche Aufstieg etwas technischer war, ging der Aufstieg schiebend im Gänsemarsch nach oben zum Pass. Oben angekommen, kam auch wieder die Sonne raus und es ging den langen und wieder wundervollen Trail auf der anderen Seite wieder runter und dann zum Ziel. Die Etappenzeit wurde etwas komisch festgelegt, da einige Zeitmessungen nicht funktioniert hatten. Für uns spielte dies aber keine Rolle. Ärgerlich war dies aber für die Teams, die vor dem Abbruch den Berg hoch und im Regen und Gewitter auf der anderen Seite wieder runter sind. Mein Fazit des Tages: Die Sicherheit der Teilnehmer ist viel wichtiger als Zeit den Platzierung.

Nun kam schon die 5. und letzte Etappe. Diese Etappe war wieder ein Rundkurs in Davos mit 49 km und nochmals 2.000 Höhenmetern. Ein letztes Mal im Startblock, ein letztes Mal der Startschuss, noch diese Etappe und dann ist das Swiss Epic gemeistert. Direkt nach dem Start ging es zunächst einen langen Anstieg mit 800 Höhenmetern hinauf, bevor es über einen wunderschönen Panoramatrail im Nebel wieder langsam nach unten ging. Der zweite Teil der Strecke war ein ständiges Auf und Ab, und es wurde auch am letzten Tag nichts geschenkt, jeder Kilometer musste hart erkämpft werden. Die Trails waren im Gegensatz zu den vorherigen Tagen mit sehr vielen Wurzeln, die teilweise auch noch nass waren. Daher war besondere Vorsicht geboten. Nachdem auch diese Trails gemeistert wurden, ging es auf die letzten Kilometer zum Zielbogen, um nicht nur diese Etappe, sondern auch das gesamte Swiss Epic erfolgreich zu beenden. Den besonderen Moment beim Überqueren der Ziellinie konnten wir nach 4:49 Stunden genießen. Die Freude war riesig, es einfach geschafft zu haben, ohne Defekt und ohne Sturz. Im Ziel wurden uns direkt die Finishermedaillien überreicht und das Finisherfoto gemacht. Diese Erinnerungen bleiben für immer. Mein Fazit des Tages: Die Glücksgefühle im Ziel überstrahlen alle durchlebten Strapazen der letzten Tage.

Das Swiss Epic ist ein top organisiertes Etappenrennen in einer traumhaft schönen Landschaft. Die Strecken waren großartig mit sensationellen Trails gewählt und begeisterten jedes Mountainbikerherz. Ich persönlich hatte die nackten Zahlen (Kilometer, Höhenmeter) völlig unterschätzt. Viele Kilometer mussten sich hart erkämpft werden, und jeder Tag war deutlich härter als ich es erwartet hatte. Das Meistern aller Herausforderungen wird durch die Glücksgefühle beim Überqueren der Ziellinie belohnt. Die wunderschönen Momente und Erinnerungen bleiben für immer.

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