Ich kann es nicht schönreden! Die Tage vor der Salzkammergut Trophy standen unter einer gewissen Anspannung, Zweifel, Nervosität. Immer wieder schlich sich der Gedanke ein: Wie soll ich das bloß schaffen? 208 Kilometer, 7.000 Höhenmeter – Zahlen, die mich regelrecht erdrückten. Ich hätte in dem Moment lieber unsere vermaledeite Kirschlorbeerhecke geschnitten – und das will was heißen.
„Der Mensch ist nicht dafür gemacht, 211 km und 7.119 hm an einem Tag zu fahren.“
BIKE Magazin 2017
Dieser Satz spukte mir konstant im Kopf herum. Und ganz ehrlich, da ist was dran. Auch das ganze Team in Bad Goisern war wie elektrisiert. Aber nicht die Vorfreude, sondern pure Nervosität lag in der Luft. Ein nicht greifbares Kribbeln und du weißt: Jetzt wird’s ernst.
Der Morgen
3:30 Uhr. Der Wecker reißt mich aus einem unruhigen Halbschlaf. Null Bock. Einfach gar nicht. Trotzdem: Müsli rein, Bike-Klamotten an und um 4:40 Uhr stehe ich im Startblock. Neben mir: Nini. Sie schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln und sagt: „Das wird schon, Schatz.“ Diese Worte treffen mitten ins Herz. Ich atme tief durch.
Der Start – 5:00 Uhr
Dann geht es los. Die Anspannung löst sich mit dem Startschuss. Es ist magisch. 500 Gleichgesinnte rollen gemeinsam durch die Dunkelheit, begleitet von Flammen, die an der Strecke emporschießen – Gänsehaut. Hier in Bad Goisern ist sprichwörtlich der Teufel los.
Der erste Anstieg – Willkommen in der Hölle
Gleich zu Beginn 1.000 Höhenmeter am Stück. Teamkollege Tim zieht schnell davon. Marc schließt zu mir auf, wir quatschen kurz, dann kommt auch noch Oli. Ein paar Späße – dann sind beide auch schon wieder weg. Bleib bei deinem Tempo, sage ich mir. Es ist ein langer Tag. Ich schwitze. Komisch, denn die Leistung ist moderat. Aber mein Körper will noch nicht so recht. Trotzdem: Die ersten 1.000 hm sind geschafft. Und die Belohnung? Ein unfassbares Panorama mit Blick über die Berge, der Sonnenaufgang im Rücken. Für diesen Moment hat sich jede Qual gelohnt.
Kilometer um Kilometer – mentaler Kampf
Die Strecke fordert. Steile Rampen, fiese Schotteranstiege, buckelige Trails. Ich fluche innerlich und fordere mich selber auf durchzuhalten. Bei der zweiten Verpflegung treffe ich Mira und Lukas. Ihre aufmunternden Worte geben mir neuen Schub. Tim und Marc sind nur 6 Minuten vor mir. Gar nicht so schlecht.
Verpflegung 3 – Das Grauen hat einen Namen: Salzberg
Dort treffe ich auf Nini und Dini. Dini sagt nur: „Nur noch 80 km.“ Klingt harmlos, klar – wäre da nicht der Salzberg. Der Scharfrichter. Der Berg, der schon viele gebrochen hat. Vorher noch 25 km Flachstück – eine gute Gruppe hilft. Dann ist er da. Der Salzberg. 1.000 hm am Stück. Es stehen immer zweistellige %- Angaben auf dem Tacho. Es ist ein Kampf gegen die Schwerkraft, gegen den inneren Schweinehund, gegen alles. Und dann, etwa auf der Hälfte des Anstiegs: Tim! Ich hätte nie gedacht, ihn nochmal zu sehen. Er hat Krämpfe. Gemeinsam quälen wir uns weiter.
Letzter Anstieg – Letzte Reserven
An Verpflegung 4 warten Mira und Lukas erneut. Wieder Cola, wieder motivierende Worte. Noch ein langer Anstieg. Ich bekomme Krämpfe, Tim auch. Wir wechseln uns ab, leiden gemeinsam. Aber: Wir erreichen die Rossalm. Und das bedeutet: Zeitlimit geschafft.
Finale – Es wird kalt
Jetzt geht’s bergab. Ich friere. Die Energie ist fast aufgebraucht. Aber: Wir haben es geschafft. Tim findet plötzlich seine Beine wieder. Ich hänge mich in den Windschatten – 300 Watt – ich beiße die Zähne zusammen.
Zieleinfahrt – Erlösung pur
Dann ist es so weit: Die Zielgerade in Bad Goisern. Dini und Nini warten bereits. Jubel, Lächeln, Erleichterung.
Wir haben es wirklich geschafft.
Ein Monument bezwungen.
Den Teufel besiegt.
Ein Tag, der für immer bleiben wird.