Wunder Hintern, müde Oberschenkel und den ganzen Tag futtern ohne satt zu werden am Montag nach dem 24h-Rennen am Alfsee – wenn das die einzigen Sorgen wären, wäre alles kein Problem und weniger schlimm als erwartet.

Aber ein Tribut war da noch… ein Taubheitsgefühl im kleinen Finger links, das mich doch mehr besorgt hat. Habe ich mir den Nerv gekappt oder geht das wieder weg? Diese Frage beschäftigte mich ernsthaft bis Mittwoch, bis ich Verbesserungen und weniger Kribbeln spürte.

Im Laufe des Rennens habe ich den Druck auf den Handballen gespürt und gemerkt, irgendwie passt die Griff-Handschuh-Kombination nicht. Handschuhtausch in der Nacht und am Sonntagmorgen brachten gefühlt Besserung, das war aber offensichtlich ein Trugschluss. Während des Rennens habe ich das mit dem kleinen Finger gar nicht bemerkt, erst am Morgen nach dem Rennen war dieses taube, kribbelige Gefühl im kleinen Finger und ein bisschen an der Handkante.

Bisher hatte ich nur Positives vom 24h-Mtb-Rennen am Alfsee gehört und eine innere Stimme hat gesagt: das ist nicht weit weg, mach mal mit. Einige Monate vor dem Rennen war der Entschluss zur Anmeldung mit T-Racer gefasst. Je näher der Termin rückte, desto mehr verfestigte sich der Gedanke, was für eine dumme Entscheidung, warum willst du dir das antun, Einzelstarter?! Das wird dich körperlich zerstören! Du fährst doch Rad zum Spaß und wie bitte soll das 24h lang Spaß machen?!

Aber einmal geplant, versuche ich die Tür zum Rückzug grundsätzlich nicht zu öffnen und will durchziehen – denn, so meine Sorge, fängst du einmal damit an, fällt das Absagen das nächste Mal noch leichter. Es versteht sich von selbst, dass bei wirklich substanziellen Gründen keine Teilnahme um jeden Preis in meinem Kopf schwirrt.

Ich wusste, die Vorbereitung war erstaunlich gut: Trainingslager auf Mallorca, ausreichend Rolleneinheiten und insbesondere zwei lange Ausfahrten zur und von der Ostsee in den Osterferien, bei denen ich die Willenskraft wegen des ständigen Nieselregens gestärkt habe, waren beste Voraussetzungen, um die Challenge am Alfsee anzunehmen.

Am Tag, als ich mir dann eine Lupine-Lampe für das Rennen gekauft habe, kam später T-Racer mit der Info, dass wir die einzigen aus dem Verein sind und die anderen zurückgezogen haben. Die Offerte, ob wir ins nächste Jahr verschieben wollen, war kurz angedacht, der bereits erfolgte Lampenkauf wies aber die Richtung: Kein Zurück.

Die Nervosität vor dem Rennen beschränkte sich dann auf Angst vor Regen (aber der Wetterbericht konnte nicht besser sein) und einen Sitzpickel, den ich mir am Tag auf der Halde in Bochum eine Woche vorher eingefangen habe. Ich kann es vorwegnehmen, ordentlich Sitzcreme hat dieses Problem zum Glück nicht verstärkt.

Beim Material griff ich auf Bewährtes zurück. Mein Focus Fully, das mich auch schon mehrmals über die Alpen geshuttelt hat, war auserkoren mich auch um den Alfsee zu eskortieren.

Es gab auch eine Gravelwertung, und immer wenn ich einen Gravelbiker sah (das war nicht oft, ich glaube die haben ganz viel Pause gemacht) hatte ich echtes Mitleid, weil die Strecke selbst auf dem Fully mit wenigen Ausnahmen so buckelig war. Da wäre es bei mir bestimmt nicht nur bei einem eingeschlafenen Finger geblieben.

Die Strecke an sich habe ich vor dem Rennen wirklich unterschätzt.

Was sollen die paar Deiche mir antun? Aber Pustekuchen: Keine Kontinuität eines langen Anstiegs, die Steilheit, locker hochfahren ging gar nicht. Es war zwar immer nur kurz, aber die ständigen Wechsel von locker zu den harten Belastungsspitzen am Deich haben Kraft gekostet. Die Strecke ist zum Glück so lang, dass ich einige Zeit brauchte, um mich zu orientieren was als nächstes kommt und ich so nicht überdrüssig wurde.

Ich will mich nicht übers Wetter beschweren. Bei Regen hätte man die Deiche wahrscheinlich nur hochschieben und runter auf dem Hintern rutschen können, aber der Staub insbesondere im gut gesteckten Waldstück kam mir am Montag noch aus der Nase.

Mit welchen Zielen bin ich gestartet?

Locker fahren war die Devise. Hat die ersten Runden nur gefühlt geklappt. Nach Runde sechs habe ich gemerkt, es geht lockerer bzw. es muss lockerer werden, sonst breche ich irgendwann gnadenlos ein. Die Wattwerte pendelten sich dann um die 150-160 Watt auf den Pflasterstücken ein, um die Reserven dauerhaft in die Deichrampen investieren zu können. Die ein oder andere Rampe habe ich dann auch geschoben, um mit den Kräften hauszuhalten.

Im Vorfeld war mein Gedanke: 24 Runden müsste machbar sein. Eine Runde pro Stunde.

Immer kleine Zwischenziele setzen, um motiviert zu bleiben, wie Essen in der Wechselzone antesten, auf einen Kaffee freuen, Grill anwerfen, 14 Runden vor der Nachtpause schaffen. Da wir kein Betreuungsteam dabei hatten, waren kleine Pausen auch durch die Flaschenwechsel vorbestimmt. Nicht hektisch werden, nochmal zur Toilette, kurz ausruhen war meine Grundeinstellung und es lief alles.

Eine Runde hätte ich mir allerdings gerne gespart. Nachdem wir ausgerüstet mit Licht nach 21:00 Uhr wieder auf die Strecke gingen, war ein Naturschauspiel im Gange, dass ich noch nicht erlebt habe. Ich habe so viele Tiere gesehen, gehört und geschmeckt, das war kein Spaß. Diese Mückenschwärme… unfassbar. Ich war gespannt, wie viele mich wohl gestochen haben, wie viele ich später aus meinen Ohren pulen würde. Aber nichts davon. Ich hatte wirklich in Erwägung gezogen, nach dieser Runde erstmal Pause zu machen, weil ich kein Bock auf noch eine Runde unter diesen Bedingungen hatte. Aber Pause nach nur einer Runde konnte ich mit meinem Ziel nicht vereinbaren. Also weiter. Die richtige Entscheidung. Es war wie abgeschnitten, die Dämmerung war komplett gewichen und die Mücken auch. So geht’s.

Bis 01:00 Uhr fahren war die grobe Marschroute. Um 00:15 Uhr bin ich dann in unser Lager. Leichter Fußbrand, Flasche leer, müde und ich dachte die 14. Runde auch geschafft zu haben, hatte mich da aber geirrt, wie ich am nächsten Tag feststellte.

Im Dunkeln hatte ich ihn erst gar nicht bemerkt – T-Racer war schon im Lager und hatte sich eingemummelt. Also tat ich es ihm gleich, zog mir ein paar warme Klamotten an und kuschelte mich mit Schlafsack auf die Liege. Man hatten wir Glück mit dem Wetter, ging es mir noch durch den Kopf. Leicht genervt von den Abba-Klängen – nicht wegen der Band, nur wegen der Lautstärke – aus der Verpflegungszone der Einzelstarter, fielen dann meine Augen zu.

Gegen 05:00 Uhr – die Musik hatte zwischendurch auch Pause und startete jetzt mit irgendeinem Rave/Techno-Gedöns, sorry nicht meins – ging der T-Racer wieder auf die Strecke, ich brauchte noch etwas, um mich für die Weiterfahrt wieder zu berappeln und kurbelte erst gegen 5:30 Uhr wieder los. Von Müdigkeit keine Spur, rollte ich dahin. Nach zwei Runden Flasche wechseln und nach weiteren zwei Runden mit einer kleinen Kaffeepause wieder guter Dinge auf Rad.

Die ganze Zeit habe ich mich weder für die gefahrenen Kilometer noch für die Platzierung interessiert. Ich habe mich an den Runden orientiert, war aber wie schon erwähnt durcheinander gekommen.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass T-Racer und ich unser Lager auf dem Stellplatz eines Bekannten des T-Racers hatten, ein anderer Thomas und dessen Frau (es ist mir unangenehm, aber den Namen habe ich vergessen) – und an dieser Stelle ein riesengroßes DANKE dafür, die gute Stimmung und die Versorgung.

Thomas‘ Frau hatte die Ergebnisliste im Blick und sagte gegen Mittag, dass ich auf Platz 31 von 150 stehe. So gut hatte ich wirklich nicht erwartet bei den ganzen Pausen. Sie stachelte mich noch an, weiter Gas zu geben. Im Kopf hatte ich noch zwei Runden angedacht, um die 24 voll zu machen. Letztlich waren es drei, um die 24 zu erreichen. Soweit so gut. Die Flasche war auch leer. Bisher lief alles gut. Noch eine Runde wäre möglich gewesen, aber ich wollte nichts mehr riskieren, keinen Defekt, keinen Sturz. Also beendete ich einen langen Tag im Sattel noch vor dem eigentlichen Zeitschluss. Ich war bereits nach ca. 23:30h mit der 24. Runde fertig.

Aber weit gefehlt, steht diese Zeit nicht im Endergebnis. Die kognitive Leistungsfähigkeit hat so gelitten, dass ich nach der 24. Runde in die Wechselzone gefahren bin, mein Rad geparkt, mich mit Essen versorgt und dann unseren Stellplatz aufgesucht habe. Zu meiner Freude war Mr. Wade mit dem Fahrrad angereist und wir quatschten erstmal.

Dann hörte ich irgendwann den Sprecher über die Lautsprecher, wie er die ankommenden Fahrer moderierte und ihnen mitteilte, dass sie noch eine Runde machen können oder nach rechts fahren müssen um das Rennen zu beenden. Mein Kopf ratterte, …wieso nach rechts fahren…? Oh sche*#e dachte ich. Das Ziel war gar nicht über die Ausfahrt in die Wechselzone erreicht. Ich bin noch gar nicht gewertet. Ich hätte über die Rampe und durch den Start/Zielbogen fahren müssen. Theoretisch hätte ich jetzt doch noch eine weitere Runde fahren können, aber der Kopf hatte schon auf „Ende“ geschaltet und den Switch konnte und wollte ich nicht mehr umlegen. Also nochmal kurz das Rad von der Wechselzone auf den Zieleinlauf gesetzt und dann hinten rechts raus.

Passt. Am Ende Platz 27 passt auch. Ich bin voll zufrieden.

Mit jedem Tag – heute ist Freitag – verklärt sich das Bild über die Strapazen. Mein kleiner Finger ist wieder meiner und eigentlich war doch alles schön, vielleicht zu schön um es nochmal zu machen…

Euer Axel

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